Edmund Entacher wurde als Chef des Generalstabs rehabilitiert, ein "Volltreffer in die Munitionskammer". Nun muss Minister Darabos mit dem ungeliebten Spitzenoffizier weiterarbeiten, auch ohne ihm zu vertrauen.

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Wien - Heute, Dienstag, wird General Edmund Entacher um 7.30 Uhr ins Verteidigungsministerium kommen und sich als Erstes bei Verteidigungsminister Norbert Darabos zurückmelden.

Man kann davon ausgehen, dass der Termin den beiden ehemaligen Parteifreunden nicht leicht fallen wird. Der von Darabos im Jänner seines Amtes enthobene Generalstabschef Entacher hat am Montag auf ganzer Linie recht bekommen - der vom Minister mit allerlei skurrilen Details über seinen "Vertrauensverlust" angereicherte Bescheid zur Versetzung des Generals ist ersatzlos aufgehoben worden.

Der rehabilitierte Generalstabschef (und langjährige Panzeroffizier) lobt die juristische Arbeit seines Anwalts, die zur Aufhebung des Bescheids geführt hat: "Ich würde sagen: Das war ein Treffer in die Munitionskammer."

Was bei einem Panzer die totale Vernichtung bedeuten würde, gleitet allerdings an einem Politiker ab. Darabos erste Reaktion: "Aus rechtlicher Sicht waren meine Argumente für den Vertrauensverlust offenbar nicht ausreichend. Für mich steht jedoch die Notwendigkeit der Reform des Bundesheeres außer Diskussion. Auf diesem politischen Reformweg werde ich mich als verantwortlicher Minister auch durch eine dienstrechtliche Entscheidung nicht abbringen lassen."

Jetzt ist Darabos dazu verurteilt, mit Entacher weiterzuarbeiten. Wie das gehen soll? "Der Vertrauensverlust ist in den letzten Monaten nicht geringer geworden. Persönlich hat der Minister kein Vertrauen in den General", bestätigt Darabos-Sprecher Stefan Hirsch.

Tatsächlich sind der Politiker und der Spitzenbeamte in einer Kernfrage unterschiedlicher Meinung: Der Minister hat sich im Jänner in den Kopf gesetzt, die Wehrpflicht abzuschaffen. Der hohe Offizier aber sieht sich der Verfassung verpflichtet, die diese Wehrpflicht festschreibt.

Verfassungsfrage

Entacher zum STANDARD: "Der Reformkurs des Ministers war erstens nicht Gegenstand des Verfahrens. Und zweitens hat über die Wehrpflicht nicht der Minister und nicht ein General zu entscheiden, sondern der Verfassungsgesetzgeber." Es gelte, streng nach den Gesetzen vorzugehen.

Der Minister hat schon Überlegungen angestellt, in einzelnen Truppenteilen keine Wehrpflichtigen mehr einzusetzen. Damit soll ein Probelauf für die Abschaffung der Wehrpflicht gestartet werden. Diese Projekte seien nicht gefährdet, sagt Darabos-Sprecher Hirsch. Sein Minister werde künftig eben mit schriftlichen Weisungen agieren. Allerdings beharren rechtskundige Beamte darauf, dass auch Ministerweisungen strikt aus der geltenden Gesetzeslage abgeleitet werden müssen.

Darabos hat auch noch einen zweiten Ansatz: Das Verteidigungsministerium ist schon seit Jahren nicht mehr umorganisiert worden, die starke Position des Generalstabschefs ist unter dem Vorvorgänger von Darabos, Herbert Scheibner (damals FPÖ), geschaffen worden. Im Zuge seiner Reformbemühungen will Darabos das Ministerium umorganisieren und dabei den Generalstab schwächen.

Generalstabschef Entacher könnte in seiner verbleibenden Dienstzeit also entmachtet werden. Der Vertrag des 63-jährigen Spitzenoffiziers läuft bis zum Februar 2013 - und er versichert schon jetzt, eine Verlängerung nicht anzustreben, "es sei denn, ich werde eindringlich darum gebeten". Dass er vom amtierenden Minister gebeten werden könnte, ist auszuschließen.

Dieser bekam umgehend Rückendeckung aus seiner Partei: SP-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas lobte Darabos ausdrücklich als "Reformminister". Auch Klubchef Josef Cap versicherte Darabos der "vollen Unterstützung der SPÖ".

Diese steht aber allein da: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache forderte Darabos zum Rücktritt auf. BZÖ-Wehrsprecher Kurt List sieht Kanzler Werner Faymann gefordert, den Minister abzulösen: "Wenn ein Minister unliebsame Untergebene mundtot machen will und schließlich seine Aktion von der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt aufgehoben wird - dann ist so ein Minister blamiert und aus der Regierung zu entlassen."

Sogar ÖVP-Wehrsprecher Oswald Klikovits verlangt, dass Darabos selbst Konsequenzen zieht. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2011)