Vier Jahrzehnte der Diskussion um die Gesamtschule haben einen Gutteil der Lehrer mürbe gemacht: Wenn man nur den leidigen Begriff "Gesamtschule" weglässt, spricht sich nur eine kleine Minderheit der Pädagogen gegen eine "gemeinsame Schule" der zehn- bis 14-jährigen Kinder aus. Das ist Wasser auf die Mühlen des Bildungsvolksbegehrens, das in den letzten Wochen den Schwung verloren zu haben scheint.

Die Proponenten des Begehrens haben in die von ihnen beauftragte Lehrerumfrage noch weiteres Konfliktpotenzial gepackt: Sie haben vom Market-Institut erheben lassen, was die Lehrer von ihrer Gewerkschaft halten.

Sie halten nicht viel von ihr.

Denn die Gewerkschaft hat in erster Linie bestehende Strukturen im Auge - man hat ja gelernt, dass von oben verordnete Reformen fast immer zum Nachteil der Beschäftigten sind. Dienstrechtliche und besoldungsrelevante Verschlechterungen zu verhindern ist das Hauptanliegen, das im täglichen Betrieb an Personalvertreter und Gewerkschafter herangetragen wird (was in der Umfrage aber nicht berücksichtigt wurde). Natürlich wünschen sich die Beschäftigten darüber hinaus Verbesserungen an ihrem Arbeitsplatz, also der Schule. Die Gewerkschaft muss auch diesen Wunsch aufgreifen - wenn sie dabei aber bestehende Ansprüche gefährden würde, zöge sie erst recht den Unmut der Lehrer auf sich. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2011)