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Darf's ein bisschen weniger Stoff sein, liebe Boxerinnen? Weil weniger ja mehr ist - mehr Medien- und ZuseherInneninteresse, mehr Anerkennung und mehr Geld?

Foto: APA/EPA/JENS BUETTNER

2012 schlägt die olympische Stunde der Boxerinnen. Sie haben gekämpft, lange gewartet und seit zwei Jahren ist ihre Zulassung bei den Olympischen Spielen endlich durchgeboxt. Drei Goldmedaillen können die Frauen in London erringen. Doch kurz vor diesem Höhepunkt im Frauenboxen hat die International Boxing Association (AIBA) der Disziplin einen Tiefschlag versetzt, der im wahrsten Sinne des Wortes unter die Gürtellinie trifft: Der Weltverband für AmateurboxerInnen* hat vorgeschlagen, dass die Boxerinnen bei Olympia doch Miniröcke tragen sollen.

Sexualisierende Entwicklung

Schon bei der Weltmeisterinnenschaft letztes Jahr in Barbados wurde den Teilnehmerinnen nahe gelegt, lieber in Rock statt Shorts in den Ring zu steigen. Auch bei der Europameisterinnenschaft in Rumänien 2010 trugen die Teilnehmerinnen aus Polen und Rumänien Röckchen, wobei die Polinnen ihr Outfit selbst entworfen und gleich als verpflichtende "Uniform" eingeführt hatten. Das Gros der Boxerinnen aber kritisiert diese Entwicklung, weil sie eine sexualisierende ist.

Für Frauen im Sport ist ein Sell Out über sexualisiertes Äußeres nichts Ungewöhnliches. Das Credo scheint zu lauten: Bitte ja nicht zu männlich wirken, wenn ihr schon echten Männersport wie Boxen oder Fußball machen müsst! Aber auch in vermeintlich geschlechtsneutralen Sportarenen wie Tischtennis wurde an der Sex-Schraube gedreht. Dort wurde die "Rock-Regel" bereits 2008 eingeführt, dann von Spielerinnenseite kritisiert, nachgebessert und ein Kompromiss erreicht: Sie müssen zwar Rock tragen, aber darunter sind Shorts erlaubt.

Sportlerinnen ohne Kontext

Die Sexualisierung von Sportlerinnen passiert zudem auch abseits der Turnierhallen oder Sportplätze - freiwillig, sozusagen: So waren die deutschen Kickerinnen im Sommer dieses Jahres nicht die ersten Sportlerinnen, die von sich mediales Reden machten, weil sie sich halbnackt für ein sogenanntes Männermagazin fotografieren ließen. Das hat System, das augenscheinlich funktioniert: Weil Frauensport per se weniger Aufmerksamkeit von Medien, Sportinteressierten und sonstiger Öffentlichkeit erfährt, wird die Sexualisierung als probates Werbeinstrument in Kauf genommen. Mehr Aufmerksamkeit, mehr Geld für Frauensport. Aber auch mehr Anerkennung als Sportlerinnen? Nein: Die Sportlerinnen werden als Sexobjekte vermittelt, und vielen ist deren Hintergrund schlicht egal. Sie werden - auch wenn sie mit zu Accessoires umfunktionierten Fußbällen auf den Fotos posieren - entkontextualisiert.

Frauen im Männerrevier

Steigt, wie vorgeschlagen, Frau mit Rock in den Boxring, lässt sich zwar der sportliche Kontext nicht ausblenden, aber die Problematik bleibt dieselbe: Dass sich Frauen in der männlichen Hegemonie des Sports unterordnen müssen. Sei es durch Geschlechterunterschiede betonende Kleidervorschriften, die dem männlichen Blick genügen sollen, durch beschämend niedrigere Preisgeldausschüttungen, weniger Wettbewerbe und Startplätze oder, flankierend, durch marginalisierende Medienberichterstattung.

Widerstand

Immerhin müssen Funktionäre, Komiteemitglieder und Verbandschefs bei Vorhaben wie einer "Rock-Regel" mittlerweile mit Widerstand rechnen: Nach letztwöchigem Bekanntwerden der AIBA-Pläne folgte ein internationaler Hagel an Kritik, vor allem von Boxerinnen. Woraufhin eingelenkt werden musste: Man wolle natürlich noch die Meinungen der Sportlerinnen und der Sportfans über den Kleidungsvorschlag einholen, bevor man ihn umsetze. "Wir sind uns darüber im Klaren, dass das ein sensibles Thema ist", ließ ein AIBA-Sprecher wissen. So soll die Kommission für Regelkonformität die "Uniform" im Januar kommenden Jahres noch diskutieren und ihre Empfehlungen an das Exekutivkomitee weiterleiten. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.

Frauenkommission entscheidet

Bereits im Dezember soll nach ebenfalls vehement geäußerter Kritik in einer anderen Disziplin über die selbe Sache entschieden werden. Auch die Badminton World Federation (BWF) wollte Frauen bei Turnierteilnahme zum Tragen eines Rocks oder Kleids verdonnern, um eine "attraktive" Präsentation von Frauenbadminton zu gewährleisten. Die Verantwortlichen haben sich als Konsequenz der starken Opposition bislang nicht getraut, die Vorschrift im offiziellen Regelwerk neu zu implementieren, und stattdessen den Rat der Frauenkommission eingeholt. Die hat im Prinzip nichts gegen einen aufgepeppten Auftritt der Spielerinnen, rät aber zu einer weiter gefassten Auseinandersetzung mit Kleidervorschriften: Nämlich einer, die nicht auf Sex sells abstellt und neben Frauen auch Männer betrifft. (bto/dieStandard.at, 14.11.2011)