Conchita Wurst zu Gast bei "Kratky".

Foto: Screenshot TVthek, "Kratky"

Sie war Robert Kratkys dritter Gast. Zuvor bat der bekannte Ö3-Moderator Robert Kratky Ben Becker und Thomas Geierspichler zu Unterredungen, die in den Trailern als "Gespräche unter Männern" inszeniert wurden: Bemüht dreckige Lacher, schwadronieren über Grenzauslotungen - beim Saufen oder beim Sport -, während man sich auch gleich als wilder Hund gebärdet. So sollten ZuschauerInnen angefixt, oder auch auf Abstand gehalten werden.

Ein Dreitagebart im Flirtmodus

Zur dritten ORF-Eigenproduktion "Kratky" vergangenen Freitag wurde ein nicht minder eigenproduzierter Star gebeten. Conchita Wurst hat es bei der Talente-Show "Die große Chance" schon richtig weit geschafft, obwohl - oder gerade weil - sie etwas anders ist als ihre MitstreiterInnen. Sie singt wie ein Vögelchen, hat den Dreitagebart eines virilen jungen Mannes, einen großen Busen und den Augenaufschlag einer Frau, die sich jede Sekunde in einem etwas plumpen Flirtmodus wähnt. Das kündigt schon genug Gesprächsstoff für die Plaudertaschen Robert Kratky und Conchita Wurst an.

Mit buddhistischer Gelassenheit und immer flirty redet Frau Wurst viel über Akzeptanz und noch mehr über Toleranz, wogegen bekanntlich praktisch niemand etwas hat. So attestiert die frisch gebackene Österreich-Berühmtheit ihren Landsleuten auch gleich einen Patzen Toleranz - wäre sie bei "Die große Chance" sonst so weit gekommen?

Toleranz war es wohl nicht

Nun ja: Ja - wäre sie. Denn ihr Spiel mit den Geschlechterrollen ist eines mit Zugeständnissen an die Intoleranz. Zwar sind die üblichen Zu- und Einordnungskategorien wild gemischt, und doch wird das jeweilige soziale Attribut recht brav mit den Oberflächenerscheinungen in Zusammenhang gebracht. "Frau-sein" wird mit langen Wimpern samt Geklimper, großer Brust und langen glänzenden Haaren ausgedrückt. Männlichkeit hingegen mit einem dichten Bart. Und auch das Klischee des schwulen extravaganten Künstlers haben wir, wenn Wurst Kratky wiederholt mit "mein Schatz" oder "Schätzchen" anspricht. Alles wohl vertraute Klischees, alle schön dort, wo sie für die meisten auch hingehören.

Systematische Schikane

Und damit dieser ästhetische Angriff auf die Geschlechterordnung so wenig bedrohlich wie möglich bleibt, schlängelt man sich auch bei "Kratky" mit Allgemeinplätzen durch das hochpolitische Thema. "Transgender" wurde ebenso wenig in den Mund genommen wie "Intersexuell" oder "Transsexuell", von der Abkürzung LGBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans) gar nicht zu reden. Die Schikanen für sie beschränken sich nicht nur auf in der Sendung besprochene fiese Facebook-Postings, sondern haben System. Dass Wurst sich spätestens behördlich sehr wohl als Mann oder Frau deklarieren muss, dass sich die Erfüllung ihres Kinderwunsches dank dem österreichischen Verbot für Eizellen- und Samenspenden - auf das die ÖVP so stolz ist - nur unter hohen Kosten und über das Ausland erfüllen lässt, Adoption für Homosexuelle sowieso verboten ist und dass die WHO Transsexuelle als "nicht gesund" (dieStandard.at berichtete) kategorisiert, wurde nicht mal ansatzweise thematisiert. Einzig durch die Aussage von Conchita Wurst, dass Homosexuelle ihre LebenspartnerInnenschaft dort beschließen müssen "wo man sich auch gleich eine Hundemarke holen kann", fanden realpolitische Verhältnisse ihren Ausdruck. Ansonsten hielt man sich lieber vage an die "Toleranz". Gegen die hat schließlich keineR was. Gegen Lesben, Schwule oder Transen aber sehr wohl. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 9. November 2011)