Denkmal in Gacko, einer Stadt im Osten der Herzegowina

Foto: Braninmir Prijak

Bileća, Stadt im Südosten von Bosnien und Herzegowina

Foto: Braninmir Prijak

Aus dem Museuem "Bitka za ranjenike na Neretvi" (Schlacht für Verwundete an Fluss Neretva).

Foto: Braninmir Prijak

Überreste des Denkmals in Mostar.

Foto: Braninmir Prijak

Denkmalkomplex in Sutjeska

Foto: Branimir Prijak

"Den Gefallenen im Kampf gegen den Faschismus" in Trebinje.

Foto: Branimir Prijak

Nevesinje, Denkmal für den Kämpfer Blagoje Parović

Foto: Branimir Prijak

Das Denkmal für Sava Kovačević in Trebinje. Nun ohne die Büste des ehemaligen Volkshelden.

Foto: Branimir Prijak

Caffe Tito in Sarajevo

Foto: Branimir Prijak

Wie die wohl heute aussehen? Das fragten sich Nedim Zlatar (34) und Branimir Prijak (37), als sie vor einigen Jahren per Zufall auf einen alten jugoslawischen Bildband über Partisanen-Denkmäler stießen. Seit einigen Monaten fahren sie quer durch Bosnien und Herzegowina und suchen die Antwort. Idee im Hinterkopf: Selbst einen Bildband herausbringen. Im Alltag ist Zlatar Musiker und hat mit dem Projekt Basheskia & Edward EQ 2010 sein zweites Album herausgebracht. Prijak arbeitet als Fotograf und Grafik-Designer und hat seine Werke bereits auf eigenen Ausstellungen in Bosnien, Kroatien, Dänemark und Italien präsentiert. DaStandard traf die beiden in Sarajevo zum Interview.

daStandard.at: Worin liegt die Faszination der Partisanen-Denkmäler?

Prijak: Sie wurden von einigen der besten jugoslawischen Architekten ihrer Zeit gebaut und sind daher schon allein in ästhetischer Hinsicht ein hochinteressantes Motiv. Ich war sehr fasziniert, als ich die Schwarz-Weiß-Fotos der Denkmäler zum ersten Mal in dem rund vierzig Jahre alten Bildband gesehen habe. Hinzu kommt, dass jedes einzelne Denkmal auf seine Art auch heute noch die Schrecken des Zweiten Weltkrieges widerspiegelt. Wenn du vor einem der Denkmäler stehst, spürst du das sofort. Du spürst den Atem des Todes, und gleichzeitig bist du beeindruckt von der architektonischen Schönheit. Diese Denkmäler strahlen immer noch große Stärke aus, und ich habe noch niemanden erlebt, den sie völlig kalt gelassen haben. Sie sind wunderschön und furchteinflößend zugleich.

Zlatar: Natürlich hatten die Partisanen-Denkmäler eine politische Botschaft: Sind wurden gebaut, um Tito und seine kommunistische Partei zu verherrlichen. Eine einzige politische Machtdemonstration - oft an Orten, an denen wichtige Schlachten stattgefunden hatten. Die Denkmäler erzählen also von der Geschichte, aber wer weiß schon, ob sie immer exakt das erzählen, was wirklich passiert ist. Als Kinder waren wir verrückt nach der TV-Serie Partizanska Eskadrila, in der es um ein Pilotengeschwader der Partisanen geht. Und wir liebten auch den in Sarajevo spielenden Partisanen-Film „Das ist Walter". Wir sind also in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der die Partisanen die Helden und die Guten waren. Doch Leute, die sich in der Öffentlichkeit kritisch über die Partisanen äußerten, wanderten ins Gefängnis.

daStandard.at: Wie haben Ihre Familien die Zeit der Partisanen erlebt?

Zlatar: So weit ich weiß gab es in meiner Familie keine Partisanen. Ich habe aber erst vor kurzem herausgefunden, dass der Mann und der Onkel meiner Großmutter von Partisanen exekutiert worden sind. Ihren Bruder haben sie ins Gefängnis gesteckt. Außerdem haben sie der Familie, die damals ziemlich wohlhabend war, Grundstücke und Häuser abgenommen.

Prijak: Mein Großvater war bei den Partisanen. Die Nazis haben ihn 1941 erschossen, vor seinem Haus, im Zentrum von Sarajevo.

daStandard: Spielten diese Hintergründe für Ihr Projekt eine Rolle?

Prijak: Nein. Wir haben bei dieser Sache keinerlei politische Ambitionen, nur künstlerische. Wir sind weder Anti-Kommunisten, noch Jugo-Nostalgiker oder Fans von Tito. Allerdings würden wir irgendwann gerne einen Bilderband und Informationen über die Denkmäler herausgeben.

Zlatar: Den Zweiten Weltkrieg und die Zeit der Partisanen kennen wir natürlich nur aus Erzählungen, aber wir haben beide die komplette Belagerung in Sarajevo miterlebt. Ich war zu Beginn 15, und als sie zu Ende war 18. Branimir ist etwas älter als ich, er hat die Stadt als Soldat der bosnischen Armee mit verteidigt. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass ein Krieg dreckig ist - und nicht mal ein kleines Bisschen so spektakulär und glorreich, wie es in Filmen, Büchern oder durch Partisanen-Denkmäler erzählt wird. Was wir aber durch die Zerstörung und Verwahrlosung vieler Partisanen-Denkmäler erleben, ist die Erschaffung von nationalistischen Gegen-Mythen. Diese Denkmäler sollten erhalten werden, um uns an die Vergangenheit zu erinnern. Sie sind ein Teil unserer Geschichte, und es ist eine Schande, sie zu zerstören.

daStandard: Sie sprechen von Verwahrlosung und Zerstörung. Gibt es denn bei den verschiedenen Volksgruppen im Land Unterschiede im Umgang mit den Denkmälern?

Prijak: Es wäre falsch, das zu generalisieren, aber tendenziell kann man schon sagen, dass die bosnischen Kroaten am wenigsten Interesse an den Denkmälern haben. In der Kleinstadt Drvar nahe der kroatischen Grenze haben wir beispielsweise nur noch die Überreste eines Partisanen-Denkmals gefunden. Drvar ist bekannt, weil sich Tito und seine Partisanen dort im Zweiten Weltkrieg vor ihren deutschen Verfolgern in einer Höhle versteckt haben. Das Partisanen-Denkmal befand sich auf einem kleinen Hügel im Zentrum und wurde 2000 von Kroaten zerstört. Bei unserem Besuch vor Ort haben wir drei oder vier Stein-Säulen gefunden, die jeweils um die zehn Meter hoch gewesen sein müssen. Die liegen jetzt umgestürzt und in mehrere Teile zerbrochen im Dreck. Als wir dort waren, hatte immerhin jemand Blumen auf die Ruinen gelegt.

Zlatar: In Mostar ist es ähnlich. Dort, in einem Park am Rande des Zentrums, findet sich eine der größten Denkmal-Anlagen im ehemaligen Jugoslawien. Früher war sie auch eine der schönsten, heute kümmert sich keiner um die Instandhaltung. Jugendliche treffen sich dort, um Bier zu trinken und zu rauchen. Überall leere Flaschen, Glassplitter, weggeworfene Zigaretten - und Unkraut.

daStandard: Wie muss man sich die Suche nach den Denkmälern vorstellen?

Prijak: Viele Parks in den Städten waren als Denkmäler angelegt, oft als Partisanenfriedhof - zum Beispiel in Bihać, Mostar, Nevesinje und Drvar. Da mussten wir also gar nicht groß suchen. Es gibt aber auch Denkmäler, die eher versteckt in den Bergen liegen. Da recherchieren wir vorher und gucken uns die Gegend über Google Maps an.

daStandard: Immer erfolgreich?

Zlatar: Meistens ja, aber nicht immer. Das Partisanen-Denkmal auf einem Berg oberhalb von Bosansko Grahovo haben wir trotz intensiver Suche nicht finden können. Das liegt auch daran, dass im Krieg nicht nur viele Häuser, sondern auch die Straßen in dieser gebirgigen Gegend nahe der Grenze von der kroatischen Armee zerstört worden sind. Auch die Bahnstrecke ist nicht mehr in Betrieb. Die Grenze dürfen hier nur Leute überqueren, die in der Umgebung leben, also nicht besonders viele. Überall zerstörte oder abgebrannte Häuser, man hat das Gefühl, der Krieg sei erst gestern zu Ende gegangen. Beängstigend. Wir sind fünf oder sechs Stunden auf holprigen Wegen ohne Asphalt herum gefahren, mit einigen alten Fotos in der Tasche, und ein paar Leute im Ort sagten uns, dass nur Jäger, die öfter in den Bergen unterwegs sind, wissen, wo genau das Denkmal zu finden ist.

daStandard: Welches Denkmal hat Sie am meisten beeindruckt?

Zlatar: Das in Sutjeska. Weil es einen sofort gefangen nimmt und mitten in der wunderschönen Natur eines Nationalparks liegt. Ziemlich außergewöhnlich und bizarr ist außerdem ein Denkmal, das wir im Grmeč-Gebirgszug im Nordwesten Bosniens gefunden haben: Zwei riesige Kuppeln, bestimmt 20 Meter hoch und mitten im Wald gelegen.

daStandard: Wie waren die üblichen Reaktionen der Einheimischen auf Ihre Partisanen-Denkmal-Suche?

Prijak: Meistens freundlich. Abweisend sind die Leute in der Regel dann, wenn das Denkmal beschädigt, zerstört oder, wie in Nevesinje, woanders aufgestellt wurde. Dort stand 50 Jahre lang ein Partisanen-Denkmal auf der Hauptstraße, direkt vor dem Hotel Nevesinje. Es erinnert an Blagoje Parović, einen Soldaten, der im spanischen Bürgerkrieg gegen Franco kämpfte und dabei getötet wurde, und dann wurde es mit Hilfe eines Krans in einen Park versetzt, etwa zehn Fußminuten vom Zentrum, zwischen Müll und Unkraut, in die Nachbarschaft eines Partisanen-Friedhofs. Völlig skurril.

daStandard: Wie hat Ihr persönliches Umfeld in Sarajevo auf ihr neues Hobby reagiert?

Zlatar: Sehr positiv und interessiert. Die meisten haben die Partisanen-Denkmäler schon ganz vergessen und sind froh, dass wir sie ihnen wieder in Erinnerung rufen. Und sie finden es merkwürdig, wie die Menschen heute, im Vergleich zu früher, mit ihnen umgehen. Von 1945 an waren die Denkmäler heilig, 50 Jahre lang. Nach dem Krieg haben diese Rolle wieder die Kirchen und Moscheen übernommen.

daStandard: In Ihrer Fotoserie finden sich keine Bilder aus ihrer Heimatstadt Sarajevo.

Prijak: In den Parks der Stadt gibt es schon einige Denkmäler, und wenn sie nicht im Krieg zerstört worden sind, werden sie auch erhalten. Unter anderen eine Tito-Statue, von der es in Jugoslawien-Zeiten sechs weitere Repliken in den Teilrepubliken gab. Wir finden die Denkmäler in Sarajevo aber nicht interessant genug, um sie zu fotografieren.

daStandard: Das Land Jugoslawien, in dem Sie geboren wurden, existiert nicht mehr. In Sarajevo gibt es aber immer noch eine Hauptstraße, die nach dem jugoslawischen Präsidenten Tito benannt ist. Wie beurteilen Sie das?

Zlatar: Straßennamen zu ändern erzeugt bloß Spannungen und unangenehme Gefühle. Titova ist die zentrale Straße von Sarajevo, und es wäre dumm gewesen, wenn wir sie nach über 50 Jahren umbenannt hätten. Das ist doch nur ein Straßenname und bedeutet nicht wirklich viel. Zumindest nicht in Sarajevo. In einer Kleinstadt wäre das natürlich nicht möglich. Trotzdem kämpft auch Sarajevo darum, seine Urbanität und seine Seele zu bewahren. Nach der Winter-Olympiade 1984 war Sarajevo eine europäische Stadt mit großer Perspektive. Heute gibt es durch die Zugezogenen auch viele ländliche Einflüsse.

daStandard: Viele Menschen in Sarajevo denken wehmütig an die Zeit unter Tito zurück.
Zlatar: Und 99 Prozent der Menschen in Sarajevo werden sagen, dass es ihnen besser ging, als Tito noch am Leben war. Das zeigt einerseits, wie schlecht es uns heute geht. Andererseits ist es aber auch eine Art natürliche Reaktion, denn Bosnier neigen in jeder Hinsicht zur Nostalgie. Ich persönlich finde, dass Nostalgie eines der gefährlichsten und destruktivsten Gefühle ist, also vermeide ich sie, so gut es geht. Die meisten Menschen realisieren nicht, welchen Schaden die Nostalgie anrichtet. Sie lieben es sogar, in ihr zu schwelgen - besonders durch alte Filme und alte Musik. Sie sind mehr der Vergangenheit zugewandt als der Zukunft und neuen Möglichkeiten.

daStandard: Passt das Caffe Tito, ein populäres Szene-Lokal in Sarajevo, das innen mit Bildern und Büsten von Tito dekoriert ist und draußen alte Kanonen der Partisanen ausstellt, in dieses Bild?

Zlatar: Das ist eher Nostalgie mit Augenzwinkern. Ich finde es gut, dass es mit dem Caffe Tito einen unprätentiösen Ort gibt, der ohne ideologische Ziele ein Bisschen die Erinnerung an die Geschichte wach hält. Das schwächt den Hass, der von den Nationalisten verbreitet wird. Im Grunde genommen machen wir mit unserem Foto-Projekt nichts anderes.

daStandard: Wie sieht es mit finanzieller Unterstützung von staatlichen Institutionen und mit der Verlagssuche für Ihren Bilderband aus?

Prijak: Eher schlecht. Keiner will mehr mit kommunistischen Denkmälern zu tun haben. Was aber auch nicht so schlimm ist, denn wir haben keine finanziellen Absichten. Wir machen das in erster Linie für uns selbst. Weil wir es einfach genießen, am Wochenende in andere Städte oder aufs Land zu fahren und merkwürdige Objekte zu fotografieren. Nach einer Winterpause werden wir das Projekt weiter auf Kroatien ausdehnen. Und momentan versuchen wir, mit dem vorliegenden Material eine Ausstellung zu organisieren. (Sebastian Brück, 8. November 2011, daStandard.at)