Christine Gubitzer (im Bild rechts): "Jeder Bürger profitiert vom guten öffentlichen Dienst. Die Zufriedenheit der Bürger ist unser Erfolg."

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Bundeskanzler Werner Faymann, GÖD-Präsident Fritz Neugebauer und Vizekanzler Michael Spindelegger waren die Redner am Kongress

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General Edmund Entacher war der heimliche Star am GÖD-Kongress

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Fritz Neugebauer erhielt für seine Rede Standing Ovations

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Petra Rührnschopf (im Bild links): "Diese Jobsicherheit, die wir angeblich haben, wird überall plakativ dargestellt."

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Otto Mörzinger: "Auch der öffentliche Dienst produziert etwas und leistet seinen Anteil an der Wertschöpfung in Österreich. Produziert eine Kindergärtnerin nichts?"

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Oscar-Regisseur Stefan Ruzowitzky, einer der bekanntesten Unterstützer des Bildungsvolksbegehrens, nahm vor dem Kongresszentrum die Lehrer in die Pflicht und forderte von ihnen konstruktive Vorschläge

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Den GÖD-Kongress nutzten die Unterstützer des Bildungsvolksbegehrens, um auf ihr Anliegen hinzuweisen

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Wien - Draußen nennen sie ihn einen Betonkopf, einen Blockierer, und ein Schauspieler im Fellkostüm soll im Grunde suggerieren, er sei ein politischer Neandertaler. Drinnen steht Fritz Neugebauer ganz alleine. Er schüttelt ein paar Hände und wartet geduldig auf den Vizekanzler, der gerade eine Traube von Kameras hinter sich herzieht. "Herr Vizekanzler!", begrüßt er ihn schließlich, und Michael Spindelegger gibt freundlich ein "Herr Präsident" zurück. Der ÖVP-Chef und der oberste Beamtengewerkschafter - sie können nicht ohne einander, also müssen sie miteinander.

Dann steht die Kamera-Traube rund um Neugebauer, er genießt das sichtlich. Neugebauer wird an diesem Dienstag wiedergewählt zum Präsidenten der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Die Wiederwahl ist fix, doch der 67-Jährige will auch ein gutes Ergebnis. Höflich beantwortet er heute auch kritische Fragen. Ob er ein Betonierer sei? "Wo sehen Sie einen Zement? Ich sehe keine Baustelle. Ich sehe eine sehr gute Schule, die an vielen Ecken noch verbesserungsfähig ist." Und die Bildungsvolksbegehrer, die draußen gegen ihn trommeln? "Wenn sie ein Feindbild brauchen, dann halte ich her."

Wut gegen Neugebauer

Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, die 230.000 Mitglieder zählt, ist die zweitgrößte Gewerkschaft der Republik, die einzige unter Führung der Christdemokraten. Und auch wenn klassische Beamtenprivilegien wie Pragmatisierungen und Pensionshöhe schon vor einigen Jahren eng beschnitten worden sind und die Zeiten für den öffentlichen Dienst damit schon besser waren, sind ihm die Auftragskrisen und Einkommensdellen der Privatwirtschaft fremd geblieben. Ein gewisser Unmut der Bevölkerung gegen die Beamtengewerkschaft ist bekannt, in der Bildungsdebatte mutiert der Unmut mancherorts zur blanken Wut.

In der Morgenkälte steht der Regisseur Stefan Ruzowitzky vor dem Austria Center in Wien, wo die Beamten tagen, und klagt: "Ich erhoffe mir von der organisierten Lehrerschaft, dass sie konstruktiv an der Bildungsdebatte teilnimmt. Aber jede Reform wird abgeschmettert." Der grüne Abgeordnete Harald Walser hofft: "Auch der schwarze GÖD-Beton bröckelt, wenn er zu alt wird." Vor einigen Wochen titelte die "Kronen Zeitung": "Lehrergewerkschaft will zurück ins Mittelalter!" Die Oppositon gegen GÖD-Chef Neugebauer ist breit.

Drinnen im Saal hat es Fritz Neugebauer wärmer, in jeder Hinsicht. "Die Bevölkerung erwartet sich ja bald, man kriegt auch am Sonntag seinen neuen Reisepass", erzählt Franz W., Ausbildner in einem Landesjugendheim. Der Christgewerkschafter aus Niederösterreich hat seine Stimme für Neugebauer schon abgegeben. "Beamte sind stark gefordert - wir verwalten nicht nur uns selbst. In meinem Bundesland sagen 87 Prozent, dass wir im öffentlichen Dienst gut arbeiten. Lese ich die Massenblätter, heißt es, wir arbeiten nichts. Der Zugang zur Beamtenschaft ist schizophren."

Ein Knicks vor der Beamtengewerkschaft

Ein Bundeskongress muss wie Balsam auf die geschundene Beamtenseele wirken. Etwa wenn Erstredner Spindelegger den Beamten zuruft: "Sie sind das Rückgrat unseres Landes und auch der Bundesregierung!" Oder wenn sich Kanzler Werner Faymann (SPÖ) dem öffentlichen Dienst "dankbar" zeigt und wortreich  die Sozialpartnerschaft und "die wichtige Lehre aus der Nachkriegszeit" anpreist, nicht unversöhnlich auf die Straße demonstrieren zu gehen. Kein Minister, kein Ehrengast und auch kein Kanzler allerdings bekommt im Saal so viel Begrüßungsapplaus und Begeisterungsrufe wie der rehabilitierte General Edmund Entacher. Er währt so lange, dass er sich zweimal erhebt, um sich zu bedanken. Überhaupt sitzt die halbe Bundesregierung da, um der Beamtengewerkschaft die Ehre zu erweisen, es sind so viele Minister, dass die ORF-Journalistin, die man aus "Niederösterreich heute" kennt (und die sich dazwischen als Moderatorin bei der GÖD ein Zubrot verdient) die Minister in einem Schwung aufzählen muss und diese dann in Dreiergrüppchen zum Applaus aufstehen. Die Staatenlenker verneigen sich vor den Dienern der Republik.

Eine Delegierte aus Vorarlberg, Petra Rührnschopf, sagt in der Mittaspause zufrieden: "Ich habe mich bei allen Reden sehr geschmeichelt gefühlt." Rührnschopf, Buchhalterin bei der Wildbach- und Lawinenverbauung, fand die Reden der Politiker "sehr bundesbedienstetenfreundlich, vor allem die des Herrn Bundeskanzlers". Und fügt hinzu: "Ich hoffe, dass er sich daran später noch erinnern kann."

Delegierte stehen hinter Neugebauer

Die Forderung, die Neugebauer an die Bundesregierung stellt - 4,65 Prozent mehr Lohn - teilen zumindest alle Delegierten, mit denen derStandard.at sprach. "Diese Jobsicherheit, die wir angeblich haben, wird überall plakativ dargestellt", verteidigt sich Personalvertreterin Rührnschopf, "es gibt viele Mobbing-Fälle, viele Scheidungen durch den Beruf, wie es auch Fritz Neugebauer richtig dargestellt hat. Im öffentlichen Dienst gibt es nicht so viele Rauswürfe, sondern der Job wird einem madig gemacht." Und außerdem: "Jeder will die besten Lehrer, die höchste Sicherheit und nirgends an einem Schalter warten. Und wir müssen das jetzt mit weniger Leuten schaffen."

Christine Gubitzer, Schuldirektorin aus Krems und Bundesfrauenvorsitzende der GÖD, plädiert für eine Gehaltserhöhung für die Kollegen: Lehrer hätten vielleicht einen sicheren Arbeitsplatz, "aber beim Billa bekomm ich die Milch auch nicht billiger". Man habe auch als Beamter keine Garantie, dass man bleibe, wo man ist, sondern könne immer schneller versetzt werden. "Die Jobgarantie ist kein Argument. Auch in der Privatwirtschaft gibt es Stellen, die sicher sind."

"Jeder Bürger profitiert"

Eine Lohnerhöhung sei durchaus gerechtfertigt, sagt Gubitzer: "Jeder Bürger profitiert vom guten öffentlichen Dienst. Die Zufriedenheit der Bürger ist unser Erfolg." Ein anderer GÖD-Delegierter, Otto Mörzinger, kann da nur zustimmen: "Auch der öffentliche Dienst produziert etwas und leistet seinen Anteil an der Wertschöpfung in Österreich. Produziert eine Kindergärtnerin nichts?", fragt der Vorsitzende des Zentralbetriebsrates der Diözese Linz.

Und über Fritz Neugebauer lassen sie am Kongress ohnehin nichts kommen. "Ihn einen Blockierer zu nennen, finde ich sehr ungerecht", sagt Delegierte Rührnschopf. "Er hat Standfestigkeit und ein super Verhandlungsgeschick." Auch Christine Gubitzer lobt den trotzigen Verhandler Neugebauer: "Bei uns hat er nicht das Image als Blockierer, sondern als Kämpfer. Wir sind froh, dass er seine Macht für die Kollegenschaft einsetzt."

Harmonie am GÖD-Kongress

Und Neugebauer, der sein Publikum kennt, streift in seiner Grundsatzrede gekonnt alle Berufe: Für die Polizei müsse etwas getan werden, für die Justiz sowieso, die Lehrer verstehe er bestens, und auch das Bundesheer dürfe man ihm nicht vergessen. Sicherheitshalber sagt er noch: "Es ist hochentwickelte Kultur bei uns, dass zwischen die Fraktionen bei gewerkschaftlichen Maßnahmen kein Blatt Papier passt." Soll heißen: Auch rote Gewerkschafter können ihn ruhigen Gewissens wählen. Dazu passt, dass Neugebauer und Faymann in der internationalen Finanzindustrie einen gemeinsamen Feind gefunden haben. Da muss man einander nicht auf die Füße steigen. Am Ende erheben sich die Gewerkschafter, um ihrem Präsidenten Beifall zu klatschen.

Schon davor hatten mehrere Musikeinlagen für unbeschwerte Minuten gesorgt. Mit bunten Fähnchen und der Aufschrift "Wir sind die Zukunft" schickte eine Wiener Volksschule Kinder zum Singen auf die Bühne. Dass der Kinderchor fröhlich eine Zukunft begrüßte, in der die heutigen Lohn- und Pensionsregelungen der unten klatschenden, ergrauten Delegierten als goldene Vergangenheit erscheinen werden, wollte in dieser beschwingten Stimmung niemand aussprechen. (Lukas Kapeller, Benedikt Narodoslawsky, derStandard.at, 8.11.2011)