Tiraspol/Moskau - Moskau will eine Wende im Konflikt um die von Moldau abtrünnige Republik Transnistrien herbeiführen. Dem Vernehmen nach plant Russlands Präsident Dmitri Medwedew die Wiedervereinigung des geteilten Lands, um sich als "Friedensstifter" zu profilieren; notfalls mit Gewalt.

Jahrelang hat Moskau das Regime in Transnistrien gestützt. Als sich die überwiegend russischsprachige Region Anfang der 90er Jahre vom rumänischsprachigen Moldau abspaltete, kämpften auch russische Soldaten auf Seiten der Separatisten. Bis heute sind russische Truppen in der Region stationiert.

Politisch und wirtschaftlich konnte sich der Clan von Präsident Igor Smirnow ebenso auf Unterstützung aus Russland verlassen. Transnistrien wurde vom Kreml als Druckmittel gegen Moldau eingesetzt, um dessen zu starkes Abdriften nach Westen zu verhindern.

Im Gegenzug durfte Smirnow in der Dnestr-Republik walten, wie er wollte. Als Dauerpräsident regiert er die Region schon 20 Jahre lang. Familienmitglieder sitzen an den Schaltstellen von Geld und Macht. Smirnows älterer Sohn Wladimir ist Chef des Zollkomitees, der jüngere Oleg für die Koordinierung der Hilfsleistungen aus Russland verantwortlich.

Freiwillig geht Smirnow nicht

Der Plan einer Reintegration Transnistriens in Moldau funktioniert nur ohne Smirnow. Doch zum Erstaunen Moskaus will der Autokrat sich nicht einfach entsorgen lassen. Das Versprechen, ihn und seine Geschäfte nicht anzutasten, reicht Smirnow nicht. Er hat Geschmack an der Macht gefunden und will sich am 11. Dezember zum fünften Mal in Folge zum Präsidenten wählen lassen.

Der Kremlkandidat, Parlamentschef Anatoli Kaminski, hat in Transnistrien kaum Anhänger. Der Vorzug des wenig charismatischen Politikers besteht für Moskau darin, dass er sich leichter lenken lässt als der störrische Smirnow, der nun mit Druck zum Einlenken bewegt werden soll.

Nach dem Importverbot für Transnistriens wichtigste Devisenquelle, den Cognac Kvint, hat die russische Staatsanwaltschaft Smirnows Sohn Oleg ins Visier genommen: Der soll vier Millionen Euro veruntreut haben, die eigentlich als Hilfsgelder für die Republik gedacht waren.

Freiwillig stellte sich der Beschuldigte nicht, also drohte die Generalstaatsanwaltschaft nun, ihn notfalls "zwangsweise" zum Verhör zu überstellen. In Transnistrien reagierte man genervt auf die "grobe" Einmischung aus Moskau. Dort rufen nun sogar einst Smirnow-kritische Stimmen zu dessen Wahl auf. (André Ballin/DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2011)