Wäre man Einzeltäter Franz Fuchs mittels "Gefahrenerforschung" neu leichter auf die Spur gekommen? Ja, sagt die Ministerin.

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Kritiker warnen vor einem Überwachungsstaat: Die überarbeitete Version des Sicherheitspolizeigesetz räume rechtsstaatliche Bedenken nicht aus.

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Wien - Für den Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sind es "nur ein paar semantische Placebos": Die überarbeitete Version des Entwurfs für die geplante Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) räume rechtsstaatliche Bedenken nicht aus, sagte er am Dienstag dem Standard.

Besagter neuer Entwurf für Teil zwei des Antiterrorpakets - jenem, der die Polizeibefugnisse neu regeln soll und für den das ÖVP-regierte Innenministerium verantwortlich zeichnet - kursiert seit Dienstag. Teil eins des Pakets, die strafrechtlichen Verschärfungen, die im Justizministerium ressortieren, hat schon den National- und den Bundesrat passiert. Das neue Sicherheitspolizeigesetz hingegen soll kommende Woche vorerst im Ministerrat beschlossen werden.

Wenn die SPÖ zustimmt: Am Dienstag fanden Gespräche zwischen Vertretern der Zivilgesellschaft und SPÖ-Politikern statt.

Im Vergleich zum früheren Sicherheitspolizeigesetz-Entwurf wurde in der überarbeiteten Version der Datenschutz gestärkt. Die Regel, dass Daten, die der Verfassungsschutz gesammelt hat, nach einem Jahr gelöscht werden müssen, wurde präzisiert.

An den schon bisher zentralen Kritikpunkten hingegen wurde offenbar nichts geändert. Etwa am Plan, die "erweiterte Gefahrenerforschung" von Gruppen auf Einzelne auszuweiten. Eine Neuerung, der besagte Zivilgesellschaftsvertreter ebenso wie Albert Steinhauser (Grüne) und Harald Vilimsky (FPÖ) mit Skepsis gegenüberstehen. Die "bürgerlichen Freiheiten" seien in Gefahr, meint der Freiheitliche.

Peilsender gegen Verdächtige

Die "erweiterte Gefahrenerforschung" gibt dem Verfassungsschutz das Recht, Verdächtige auszuspähen, zum Beispiel mittels Peilsender. Laut dem vorgeschlagenen neuen Paragrafen 21 SPG soll das künftig etwa auch dann möglich sein, wenn sich ein Einzelner "öffentlich, schriftlich oder elektronisch für Gewalt ausspricht" oder sich "Mittel und Kenntnisse verschafft", um Sachen oder Menschen zu beschädigen.

Die Kontrolle über die Ausspähmaßnahmen soll keinem Richter, sondern allein dem Rechtsschutzbeauftragten des Innenministeriums obliegen. "Die Einrichtung des Rechtsschutzbeauftragten hat sich bisher nicht bewährt. In den vergangenen Jahren ist mir kein Fall bekannt, wo er gegen eine Polizeimaßnahme Einspruch erhoben hätte", kommentiert Grünen-Justizsprecher Steinhauser.

Laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will man mitteln neuer "erweiterter Gefahrenerforschung" gefährlichen Einzeltätern vom Schlag eines Anders Breivik leichter als bisher auf die Spur kommen. Politaktivisten und Journalistenvertreter hingegen befürchten, als kritisch Denkende ins Fadenkreuz von Verfassungsschutzermittlungen zu geraten.

Investigative Journalisten arbeiteten meist allein und beschafften sich vielfältigste Kenntnisse, merkt etwa der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) in seiner Stellungnahme im Begutachtungsverfahren an: Die geplante Gesetzesänderung sei eine Gefahr für "freien und unabhängigen Journalismus". Ein anderes wichtiges Mediengremium widerspricht: Der Verband Österreichischer Zeitungsherausgeber sieht diese Gefahr in seiner Stellungnahme nicht gegeben.

Große Hoffnungen setzt indes Peter Gridling, Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), in die anvisierte Regelung. Nach derzeitiger Gesetzeslage sei es unmöglich, Informationen über Einzelpersonen zu speichern und diese zu verknüpfen. Allerdings: Sämtliche Internetforen nach wirren Manifesten à la Breivik zu durchforsten, sei unmöglich, gesteht er ein. (Irene Brickner, Michael Möseneder, DER STANDARD; Printausgabe, 9.11.2011)