Standard: Sind Sie eher Polizei- oder Bürgerministerin? Man hat den Eindruck, dass Gesetzesvorlagen immer die Maximalforderungen der Exekutive sind und erst nach Protesten entschärft werden.

Johanna Mikl-Leitner: Ich bin die Ministerin, die für Sicherheit zu sorgen hat. Dazu gehört, der Polizei professionelle Instrumentarien zu geben.

Standard: Es gibt Befürchtungen, dass die Reform des Sicherheitspolizeigesetzes Überwachungsmöglichkeiten deutlich erhöht.

Mikl-Leitner: Wir brauchen die erweiterte Gefahrenerforschung auch für Einzelpersonen, da zwei Drittel der terroristischen Straftaten von Einzelnen verübt werden. Eingesetzt wird es aber nur, wenn der unabhängige und weisungsfreie Rechtsschutzbeauftragte im Innenministerium zustimmt.

Standard: Unabhängig und weisungsfrei sind Richter auch. Warum wehrt man sich gegen die Einbindung der Justiz? Bei Hausdurchsuchungen ist die Justiz nötig?

Mikl-Leitner: Das ist etwas anderes, da geht es ums Strafrecht. In diesem Fall betrifft es das Sicherheitspolizeigesetz.

Standard: Es gibt die Befürchtung, dass Journalisten Ziel von Überwachung werden.

Mikl-Leitner: Das ist völliger Humbug. Es geht um eine drohende Gefahr.

Standard: Wenn ein Journalist den Jihad gutheißt, kommt er nicht in den Fokus der Fahnder?

Mikl-Leitner: Es ist ja immer noch der Rechtsschutzbeauftragte nötig. Aber wenn jemand nur einmal im Internet etwas veröffentlicht, wird er nicht betroffen sein, erst wenn das regelmäßig passiert.

Standard: Die Anschläge durch Anders Breivik hätte man aber nicht verhindern können.

Mikl-Leitner: Aber bisher hatten wir ja nicht einmal die Möglichkeit, im Melderegister nachzusehen, ob Herr Breivik schon einmal in Österreich gewohnt hat.

Standard: Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg hat nach den Anschlägen gesagt, die Antwort müsse "mehr Demokratie und Offenheit" sein. Warum werden bei uns die Polizeibefugnisse ausgeweitet?

Mikl-Leitner: Wenn ich jetzt schon so weitreichende Befugnisse wie in Norwegen hätte, reagiere ich auch so.

Standard: Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ohne Richter-Beschluss künftig mehr Standortpeilungen bei Handys möglich sind.

Mikl-Leitner: Aber nur, wenn eine akute Gefahr vorhanden ist. Angenommen, jemand droht einen Selbstmord an, und man weiß, dass jemand dabei ist. Dann wollen wir diesen auch orten dürfen.(Michael Möseneder, DER STANDARD; Printausgabe, 9.11.2011)