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Düsteren Zeiten blickt Silvio Berlusconi entgegen, der am Dienstag im Parlament seine einst starke Mehrheit verlor.

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Rom - Die politische Karriere des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi steht vor dem Ende. Der in zahlreiche Sex- und Korruptionsskandale verwickelte 75-Jährige werde nach der Verabschiedung des nächsten Haushaltsgesetzes zurücktreten, sagte Staatspräsident Giorgio Napolitano nach einem Gespräch mit dem Regierungschef am Dienstagabend in Rom. Zuvor hatte Berlusconi zwar eine Haushaltsabstimmung im Abgeordnetenhaus gewonnen, aber keine absolute Mehrheit hinter sich. Sein Koalitionspartner Umberto Bossi von der Lega Nord hatte ihn zum Rücktritt aufgefordert. Die Finanzmärkte reagierten mit Kursgewinnen auf die Ankündigung des Präsidenten.

Neuwahlen

Berlusconi hat ausgeschlossen, dass nach seinem Rücktritt eine Notstandsregierung Italien bis zum regulären Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2013 weiterführen könnte. "Nach mir gibt es nur vorgezogene Parlamentswahlen", sagte Berlusconi im Interview mit dem TV-Sender "Canale 5".

Der Premier betonte, er sehe ein, dass er über keine Mehrheit mehr im Parlament verfüge. Er appellierte an die Oppositionsparteien zur Zusammenarbeit, um das Maßnahmenpaket zur Schuldeneindämmung so rasch wie möglich im Parlament durchzusetzen, wie sich die Regierung mit der EU verpflichtet habe. "Wir werden den Finanzmärkten beweisen, dass wir es ernst meinen", sagte Berlusconi.

"Sehr traurig"

"Ich bin nicht nur überrascht gewesen vom Ergebnis der Abstimmung", sagt Berlusconi, "ich war auch sehr traurig. Mit vielen von den Personen, die sich enthalten haben, war ich schon sehr lange verbunden, mit manchen seit Gründung der Forza Italia (Vorgänger der jetzigen Berlusconi-Partei PdL, Anm.). Mit ihnen hatte ich ein gutes und freundschaftliches Verhältnis."

Kreisen zufolge könnte Berlusconi bis Dezember im Amt bleiben. Die Verabschiedung des Maßnahmenpakets in Abgeordnetenkammer und Senat könnte noch einige Wochen beanspruchen, hieß es in Regierungskreisen in Rom. Berlusconi könnte die Abstimmung zudem mit einer Vertrauensabstimmung verknüpfen, hieß es weiter.

Nachfolgedebatte

Die Debatte über Berlusconis Nachfolger läuft auf Hochtouren. Ersetzt werden könnte er durch den Generalsekretär der Regierungspartei PDL, Angelino Alfano. Im Gespräch sind aber auch andere Kandidaten, darunter der ehemalige EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti als Chef einer Übergangsregierung aus Technokraten. Berlusconi lehnt Wahlen allerdings bisher ab. Ihn könnte auch sein enger Vertrauter, Kabinettsminister Gianni Letta als Regierungschefs beerben.

Die Abstimmung über den Rechenschaftsbericht zum Haushalt 2010, die normalerweise eine reine Formsache ist, galt als entscheidend für Berlusconi. Fünf PDL-Abgeordnete und die großen Oppositionsparteien hatten ihre Enthaltung angekündigt. Lediglich 308 der 630 Abgeordneten stimmten für die Vorlage, die absolute Mehrheit hätte bei 316 Stimmen gelegen.

Berlusconi wie Jesus

Berlusconi hatte bislang alle Rücktrittsforderungen zurückgewiesen und seit 2008 über 50 Vertrauensabstimmungen überstanden. "Ich weiche nicht", zitierte ihn die Zeitung "Il Giornale", die dem Bruder des konservativen Politikers und Medien-Milliardärs gehört. Das Blatt verglich den Regierungschef mit Jesus und abtrünnige Abgeordnete seiner Mitte-Rechts-Koalition mit Judas. "Ich will denen, die mich verraten, ins Gesicht schauen", sagte Berlusconi der Zeitung.

Opposition feiert

Italiens Opposition feiert die Rücktrittsankündigung von Regierungschef Silvio Berlusconi. "Seine Rücktrittspläne sind eine Wende, jetzt kann eine neue politische Phase im Land beginnen", kommentierte Oppositionschef Pierluigi Bersani. Die Opposition werde im Parlament das sogenannte Stabilitätsgesetz mit Reformen zur Schuldeneindämmung genau überprüfen. "Obwohl wir grundsätzlich dagegen sind, werden wir für eine rasche Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes sorgen, um eine politische Wende in Italien zu ermöglichen", so Bersani. Berlusconis Rücktrittsankündigung sei ein klarer Erfolg für die Opposition.

Regierungskreisen zufolge könnte Berlusconi bis Dezember im Amt bleiben. Die Verabschiedung des Maßnahmenpakets in Abgeordnetenkammer und Senat könnte noch einige Wochen beanspruchen, hieß es in Rom. Berlusconi könnte die Abstimmung zudem mit einer Vertrauensabstimmung verknüpfen.

Aus Sicht der Barclays Bank ist es für einen Kurswechsel in Italien womöglich schon zu spät. "Die historische Erfahrung lehrt, dass sich selbst verstärkende negative Marktdynamiken nur sehr schwer brechen lassen. Für Italien gibt es möglicherweise keine Umkehr mehr", schrieben die Analysten.

Die Euro-Finanzminister wollen verhindern, dass die Schuldenkrise in Italien eskaliert und das Land zum Fall für den Rettungsfonds EFSF wird. "Italien weiß selbst, dass im Hinblick auf die Größe des Landes man nicht auf Hilfe von außen hoffen kann", sagte Österreichs Finanzministerin Maria Fekter. Finnlands Regierungschef Jyrki Katainen sagte, Italien sei zu groß, um von seinen europäischen Partnern gerettet zu werden.

Die Regierung in Rom hatte auf Druck der Euro-Partner Strukturreformen zugesagt, um das Wachstum auf Trab zu bringen, darunter eine Deregulierung am Dienstleistungsmarkt, eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und die Lockerung des Kündigungsschutzes. Das Land wird dabei wie die Sanierungsfälle Griechenland, Irland und Portugal von einer Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds überwacht. EU und EZB werden in den kommenden Tagen Experten nach Rom schicken, um die Reformpläne zu prüfen. (Reuters)