Wien - Die Regierung in Baku pocht im Konflikt um das zwischen Aserbaidschan und Armenien umstrittene Gebiet Nagorny (Berg)-Karabach auf die "Wiederherstellung der territorialen Integrität", d.h. die Rückgabe an Aserbaidschan. Der aserbaidschanische Vizeaußenminister Araz Azimov, der sich derzeit zu Gesprächen mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien aufhält, betonte in einem Gespräch mit Medienvertretern, sein Land wünsche keinen Krieg, sondern eine politische Lösung. Doch die mit der Causa befasste Minsk-Gruppe der OSZE habe bisher keinen Erfolg erzielt.

"Ich kann keinerlei Ergebnis erkennen", zog der Vizeminister eine negative Bilanz über den Minsk-Prozess. Nagorny-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, wurde aber in einem blutigen Krieg in den 1990er Jahren von armenischen Truppen besetzt und agiert als international nicht anerkannte Republik. Seit 1994 herrscht Waffenstillstand, der Konflikt ist eingefroren. Azimov geht weiter von einer Rückkehr der rund 750.000 aserbaidschanischen Flüchtlinge nach Berg-Karabach aus. "Eine Kompromisslösung würde keinesfalls eine Gebietsabtretung an Armenien bedeuten, sondern eine Koexistenz" der beiden Volksgruppen. Von "Unvereinbarkeit" zu sprechen, sei "faschistisch", so Azimov mit Blick auf Armenien.

Ob Krieg zur Erreichung seiner Ziele für Baku eine Option sei? "Aserbaidschan will keinen Krieg", betonte der Vizeminister. "Aserbaidschan muss eine starke Armee aufbauen, wünscht aber eine politische Lösung." Armenien habe mit der Besetzung von Berg-Karabach 20 Prozent aserbaidschanischen Territoriums okkupiert und behaupte nun provozierend, dieses Gebiet werde nie wieder aserbaidschanisch sein. Hingegen wolle Aserbaidschan im Einklang mit dem Völkerrecht die politischen Mittel ausschöpfen und seine "territoriale Integrität wiedererlangen", also Nagorny-Karabach zurückbekommen.

Azimov nannte auch Zahlen: Im Verhältnis zur Bevölkerung habe Armenien - drei Millionen Einwohner, 71.000 Mann - viel größere Streitkräfte als Aserbaidschan - 8,6 Millionen Einwohner und 63.000 Mann. Er verwies auf den Umstand, dass bei bewaffneten Auseinandersetzungen immer wieder auch aserbaidschanische Zivilisten getötet würden. Zugleich warnte der Vizeminister des öl- und gasreichen Landes und wichtigen Energielieferanten vor den Folgen für das Ausland: "Ein Verlust von territorialer Integrität würde Aserbaidschan in die Enge treiben. Das wäre nicht gut für die Energieversorgung."

Wirtschaftlich erlebe Aserbaidschan einen großen Aufschwung, dank seiner Öl- und Gasressourcen. Bei Gas sei sein Land "ein global player auf hohem Niveau", sagte Azimov. Wirtschaftlich praktiziere Aserbaidschan "das Prinzip der Multiplizität", habe Verträge mit unterschiedlichsten Staaten, kooperiere mit Ländern Lateinamerikas, Afrikas, des arabischen und asiatischen Raums. Armenien hingegen sollte Bilanz ziehen und sich fragen, "was es bisher gewonnen hat". Wegen der schlechten Wirtschaftslage verzeichne das Nachbarland einen Exodus, der die Bevölkerung der Republik halbiert habe, sogar aus Nagorny-Karabach sei eine Abwanderung im Gang. Die armenische Jugend sehe keine Perspektive. Er würde dies als "eine nationale Katastrophe" empfinden.

Zum geopolitischen Standort Aserbaidschan sagte Azimov, Baku verfolge "eine multipolare Außenpolitik". Die Türkei sei ein enger Partner, wirtschaftlich wie politisch. Russland erkenne die wichtige Rolle Aserbaidschans im südlichen Kaukasus an und sollte Interesse haben an einem "verlässlichen Nachbarn". Zum Iran bemerkte Azimov, dort leben 30 Millionen Aseris, also rund drei Mal so viele wie im Staat Aserbaidschan. Und: "Wir sind ein Partner der EU", fügte er hinzu. Aserbaidschan pflege strategische Partnerschaften, "aber wir werden keine ausländischen Militärbasen auf unserem Territorium akzeptieren".

Beim Thema Energiepolitik sieht sich Azimov nicht als Spezialist. Auf Fragen zum Gas-Pipeline-Projekt "Nabucco", bei dem die österreichische OMV federführend ist, äußert er sich dementsprechend vorsichtig. Ob "Nabucco" von Erfolg gekrönt sein werde, das sei Sache der Europäer, meinte er. Verschiedene Optionen seien verfügbar, "eine Option schließt die anderen nicht aus". Er sehe keine Konkurrenz zwischen den Pipeline-Projekten in der südlichen Region, vielmehr werde es in Zukunft "ein Netzwerk" geben. (APA)