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Ex-Verteidigungsminister Robert Lichal: "Wenn Darabos ein ÖVP-Minister wäre, würde der Kanzler wahrscheinlich auf seinen Abgang drängen."

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Robert Lichal, Verteidigungsminister in den späten Achtziger Jahren, stellt sich nach der juristischen Schlappe des heutigen Ressortchefs Norbert Darabos (SPÖ) gegen General Edmund Entacher klar auf die Seite des Beamten.

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derStandard.at: Sie haben in der "Zeit im Bild 2" gesagt, Sie würden Norbert Darabos zum Rücktritt raten. Warum genau?

Lichal: Grundsätzlich möchte ich einen Nachfolger überhaupt nicht qualifizieren und ihm nichts raten. Die Frage, die mir gestellt wurde, war: Was würden Sie tun? Da habe ich gesagt, ich würde den Abschied nehmen. Weil ich doch noch etwas Ehrgefühl in mir verspüre. Und ein Führer einer soldatischen Organisation, ein Minister, sollte einen soldatischen Ehrbegriff zumindest noch kennen. Wenn er einen Fehler gemacht hat und so einen eklatanten, dass er eigentlich einem Berufsbeamten aufzwingen wollte, einen Rechtsbruch als Maxime seines neuen Handelns zu akzeptieren, dann ist der Mensch eigentlich rücktrittsreif.

derStandard.at: Sie argumentieren, Generalstabschef Edmund Entacher sei dafür bestraft worden, dass er das geltende Recht verteidigt hat?

Lichal: Ja, das konnte General Entacher als Berufsbeamter niemals machen. Er ist ein Berufsbeamter in Uniform. Wir dürfen nicht vergessen, die Forderung gegenüber dem Minister bei der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht loyal zu sein, bedeutet einen Rechtsbruch zur Maxime zu machen. Denn in unserer Bundesverfassung sind die allgemeine Wehrpflicht und die Ausrichtung des Bundesheeres nach dem Milizsystem verankert. Das ist der eine Grund.

derStandard.at: Der andere?

Lichal: Der andere Grund ist: In einer Demokratie gibt`s Regierungsbildungen. Da haben zwei politische Parteien einen Pakt geschlossen. Auch in diesem Koalitionspakt (Regierungsprogramm 2008-2013, Anm.) steht drinnen, dass wir das Bundesheer nach der allgemeinen Wehrpflicht und nach dem Milizsystem organisieren. Was in der Bundesverfassung steht, steht auch in diesem Pakt. Nun bricht der zuständige Minister diesen Vertrag, er wird vertragsbrüchig. Da aus einem Vertrag ein Recht entsteht, ist man dann ein Rechtsbrecher.

derStandard.at: Der Verteidigungsminister hat eine schwerwiegende Personalentscheidung getroffen, die von der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt für nichtig erklärt wurde. Hat der Minister vor seinen Mitarbeitern sein Gesicht verloren hat?

Lichal: Na, selbstverständlich! Er hat vollkommen das Gesicht verloren, weil er die Anerkennung eines rechtswidrigen Zustandes verlangt hat.

derStandard.at: Sie kennen als ehemaliger Verteidigungsminister den Apparat von innen. Wird Darabos bei seinen Mitarbeitern an Autorität einbüßen?

Lichal: Die Autorität und das Ansehen des Ministers sind aufgrund seiner bisherigen Verhaltensweise gleich null. Das war jetzt das Tüpfelchen auf dem I.

derStandard.at: In der Truppe auch?

Lichal: In der Truppe auch.

derStandard.at: Warum glauben Sie das?

Lichal: Man darf ja nicht vergessen, dass jeder uniformierte Körper hat ein noch stärker ausgeprägtes Solidaritätsgefühl hat. Die Kameradschaft ist bei einem bewaffneten Körper ja notwendig, da entsteht ein Korpsgeist. Wenn die Truppe das Gefühl hat, auf einen von ihnen gehe man los, empfindet sie Verstöße gegen die eigene Truppe noch schlimmer als in einer normalen Verwaltungsorganisation. Das verstehen viele Politiker nicht, es herrscht bei der Sicherheitsexekutive, bei der Polizei, bei der Justizwache, ja immer ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis - natürlich beim Militär im Besonderen.

derStandard.at: Gab es Ihrer Erinnerung nach schon einmal einen Verteidigungsminister, der so wenig Ansehen hatte?

Lichal: Nein. Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass er auf die Strukturen des Bundesheeres ja bei seiner Installierung keine Rücksicht genommen hat. Er hat sich ein Kabinett mit lauter Auswärtigen zusammengestellt. Ich habe mir im Ministerium ein Kabinett zusammengestellt und habe das Ministerium geführt mit Berufsbeamten des Ministeriums. Ob der rot, schwarz oder blau war, das war wurscht.

derStandard.at: Sie sagen, Sie persönlich wären zurückgetreten. Sagen Sie auch, Regierungschef Werner Faymann soll einen Schritt setzen?

Lichal: Er ist eigentlich Letztverantwortlicher für die ganze Misere - nach dem Prinzip der culpa in eligendo (Verschulden durch schlechte Auswahl, Anm.). Dieses Verschulden geht auf den damaligen Bundeskanzler Gusenbauer zurück.

derStandard.at: Wenn Sie mit der Personalauswahl argumentieren, dann hätte der heutige Kanzler Faymann Minister Darabos auch austauschen können ...

Lichal: Wenn das ein ÖVP-Minister wäre, würde der Kanzler wahrscheinlich auf den Abgang drängen. Aber da darf man jetzt nicht parteipolitisch denken. Verstehen Sie, bei dieser Frage geht es jetzt um etwas viel Größeres. Da geht es um das Bundesheer, um eine Institution, die von den Mitbürgern verlangt, Opfer zu bringen. Das kann ich nicht ruinieren. Wenn wer die Abschaffung der Wehrpflicht will, dann muss er das bei der nächsten Regierungsbildung mit dem neuen Regierungspartner verhandeln.

derStandard.at: Von Darabos' sogenannten Pilotprojekten ohne Grundwehrdiener halten Sie demnach nicht viel ...

Lichal: Das ist rechtswidrig, da fällt er wieder auf die Nase. Aber er hat anscheinend überhaupt kein Rechtsempfinden. (Lukas Kapeller, derStandard.at, 9.11.2011)