JAMES CARTER ORGAN TRIO At The Crossroads (Universal)

Wer den Mann live gehört hat, hat perplex ungeheuerliches Ausmaß an Energie erlebt. James Carter versteht es, spontane Gedankenbildung durch Selbstentäußerung in lichte Qualitätshöhen zu heben. Entsprechende Dynamik auch hier: Im Trio geht man gleich deftig zur swingenden Sache, aber Vorsicht: Carter ist ein wendiger Typ, dessen Ton nicht nur im Dienste wildgewordener Linien steht. My Whole Life Through zeigt ihn etwa als eloquenten Balladenrhetoriker, dessen Sound die ehrwürdige Süße eines Johnny Hodges mit der Gelassenheit eines Ben Webster mixt. Also: Ein vitaler Blick auf die Tradition zwischen Jazzrock, Latin und Blues und Souljazz.

KEITH JARRETT Rio (ECM/Lotus)

Es gibt Tonnen von Keith-Jarrett-Soloalben. Allerdings, zur Kenntnisvertiefung und Seelenerbauung sind frische Dokumente einsamer Musikstunden immer noch unerlässlich, zumal Jarrett einer der intensivsten Veredler pianistischer Möglichkeiten bleibt. Das Konzert fand am 9. April 2011 in Rio statt und bringt 15 namenlose Stücke zwischen Ballade, wilder Abstraktion und Impressionismus, was darauf schließen lässt, dass wieder versucht wurde, aus dem Augenblick heraus ganz spontan Melodien und Strukturen zu ersinnen. Ein großer Rhapsodiker ist hier am Werk, und natürlich stöhnt er nach wie vor mit seiner Musik lustschmerzvoll mit.

RADIO.STRING.QUARTET.VIENNA radiodream (ACT/edel)

Wer hätte gedacht, dass es nach dem Kronos Quartet einem anderen Vierergespann abseits der "normalen" Kammermusikklassik gelingen würde, dieser Musizierform Frische einzuhauchen? Das Radio.String.Quartet.Vienna hat es geschafft und bestätigt nun den Eindruck. Von fast gruseliger, stark atmosphärischer Tiefe sind manche Eigenkompositionen; sehr inspiriert und fernab jeder süßlichen Anbiederung die Coverversions (etwa Liszts Liebestraum oder Mancinis Moon River). Einfach sehr bemerkenswert. (tos / DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2011)