So viel, so lautes Säbelrasseln war selten im Nahen Osten. Da mahnt Israels besonnener Staatspräsident Shimon Peres, ein Präventivschlag gegen Irans Atomanlagen werde immer wahrscheinlicher. Man könne schließlich nicht tatenlos zusehen, bis der Erzfeind über die Bombe verfüge. Derweil proben Piloten der Zahal den Langstreckenflug nebst Luftbetankung und Ausweichmanöver. Gleichzeitig wird am Boden die Bevölkerung im Großraum Tel Aviv mit Zivilschutzübungen auf einen möglichen Vergeltungsschlag durch das Mullah-Regime vorbereitet. Immerhin haben die staatlichen Medien der "Islamischen Republik" dem "zionistischen Gebilde" mit Racheangriffen "apokalyptischen Ausmaßes" gedroht. Und reichte das alles allein noch nicht aus, lässt London wissen, es werde einen möglichen Angriff auf das iranische Rüstungsprogramm durch Amerikaner und Israelis unterstützen. Kein Wunder, dass die Bild-Zeitung bereits ängstlich fragt: "Gibt es noch dieses Jahr Krieg?" "Sehr unwahrscheinlich", lautet die Antwort - aus vielerlei Gründen.

Barack Obama wird nicht in den Krieg ziehen wollen

Da sind zum Beispiel die militärischen Unwägbarkeiten. Israel weiß nur zu gut, dass es ungeachtet aller Mossad-Aktivitäten zu wenig über Beschaffenheit und Lage der unterirdischen Waffenanlagen Irans weiß. Klar ist auch, dass der jüdische Staat auf Washingtons logistische Unterstützung angewiesen wäre. Das betrifft sowohl die Wahl der Waffen als auch die Nutzung des irakischen, jordanischen oder saudischen Luftraums. Ohne Einwilligung der USA geht da gar nichts. Ob Barack Obama allerdings tatsächlich bereit sein würde, in den Kampf zu ziehen, darf bezweifelt werden. Aus Afghanistan, Irak und Libyen raus, um sich mit einem ungleich stärkeren Gegner wie Teheran anzulegen? Dies seinen Wählern zu erklären, dürfte sogar dem Rhetorik-Künstler im Weißen Haus schwer fallen.

Hinzu kommt, und das weiß auch die US-Administration nur allzu gut: Die Lage in der arabischen Welt ist nach dem kurzen, aber heftigen politischen Frühling mehr als angespannt. Gut vorstellbar, dass bei einem Angriff auf einen Nachbarstaat - selbst, wenn er so gefürchtet ist wie der Iran - der Hass auf Israel sich in purer, grenzüberschreitender Gewalt entlädt. Nicht zu vergessen Syriens Assad, die libanesische Hisbollah und die Hamas im Gazastreifen. Sie alle warten nur darauf, den "Zionisten" ihre Macht zu demonstrieren und gleichzeitig von ihren innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken. Am Ende stünde der Nahe Osten womöglich wirklich in Flammen.

Auch in Israel ist man sich der vielen Probleme, die ein Schlag gegen Teheran verursachte, durchaus bewusst. Kein Wunder, dass über den Nutzen eines Militäreinsatzes heftig gestritten wird. Zumal hinter vorgehaltener Hand schon längst zugegeben wird, eine Atommacht Iran sei kaum noch zu verhindern. Vermutlich verfügen die dortigen Herrscher bereits über Kernwaffen. Der neue Bericht der Aufsichtsbehörde IAEO legt diesen Verdacht nahe. Der Westen hat es also nicht vermocht, Präsident Ahmadinedschad und seine Gesinnungsgenossen von ihrem höchst gefährlichen Kurs abzubringen. Über die bisherigen Sanktionen hat sich Irans Führungsspitze vermutlich schlapp gelacht.

Genau das enttäuscht verständlicherweise die Verantwortlichen in Jerusalem. Ein ums andere Mal haben sie von der Staatengemeinschaft verlangt, man möge doch endlich eine härtere Gangart an den Tag legen. Passiert ist allen vollmundigen Ankündigungen zum Trotz wenig. Lippenbekenntnisse, mehr nicht. Deshalb geht Israel jetzt verbal in die Offensive - als Mittel zum Zweck, um vor allem die USA und die EU dazu zu bewegen, endlich den Druck auf Teheran merklich zu erhöhen. Sollte das geschehen, so lautet die Botschaft des lauten Säbelrasselns, wäre der jüdische Staat bereit, auf eine militärische Konfrontation zu verzichten. Zumindest vorerst.

Denn, keine Frage: Israel muss sich existenziell durch das Ahmadinedschad-Regime bedroht fühlen. Mehrfach hat die Teheraner Führung erklärt, am liebsten würde man das Land der verhassten Zionisten auslöschen. Alles nur leeres Gerede? Darauf darf sich ein Staat, der schon so oft vernichtet werden sollte, mit Sicherheit nicht verlassen. Sollte Jerusalem also zur Auffassung gelangen, ein Angriff durch iranische Raketen stünde unmittelbar bevor, wird es keinesfalls zögern, diesem zuvorzukommen.

Nicht nur Israels Schicksal steht auf dem Spiel

Noch aber ist es offenkundig nicht so weit. Noch schickt Israel seinen Friedensnobelpreisträger Shimon Peres zum wiederholten Male in die diplomatische Schlacht. Noch hält das weitgehend isolierte Land es für vorstellbar, dass sich die weltpolitische Front gegen den Iran schließt. Noch hofft man auf die Einsichtsfähigkeit der Staatengemeinschaft, dass nicht allein das Schicksal des kleinen, unbeliebten Israels auf dem Spiel steht, sondern dass die Atomwaffen eine Gefahr für alle sind. Noch setzt Jerusalem deshalb aufs Säbelrasseln. Weil Krieg immer nur die allerletzte Option ist. Das gilt auch für den jüdischen Staat. Selbst, wenn dessen Feinde nicht müde werden, das Gegenteil zu behaupten. (Christian Böhme, derStandard.at, 9.11.2011)