"Wenn einzelne private Personen für nicht nachvollziehbare Leistungen horrendes Honorar kassieren, dann hat das überhaupt nichts mit dem zu tun, was wir unter seriöser Beratung verstehen. Deshalb fühlen wir uns auch von der Kritik an dieser Form der ‚Beratung‘ in keiner Weise angesprochen" , sagt Rupert Petry, Partner von Roland Berger Strategy Consultants in Wien.

Dennoch kommen Boston Consulting, McKinsey, Roland Berger & Co nicht darum herum, Antworten auf jene Fragen zu finden, die sich ihre Kunden heute immer öfter stellen: Wofür brauchen wir noch Berater? Und wie zufrieden sind wir mit deren Leistung?

Auch das deutsche Manager Magazin wollte das in einer jüngst durchgeführten Studie von insgesamt 452 deutschen Großunternehmen wissen. Die Ergebnisse der im September veröffentlichten Umfrage lassen aufhorchen: Nur die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, mit den Leistungen der Berater zufrieden gewesen zu sein. Noch 2007 wurden die Topconsultants deutlich besser beurteilt. "Die klassischen Berater stehen unter Druck wie nie zuvor", sagt Dietmar Fink. Er ist Professor für Unternehmensberatung an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg und leitete die zitierte Umfrage: "Das klassische Geschäftsmodell des Strategieberaters stößt an seine Grenzen. Der deutsche Beratungsmarkt hat einen Reifegrad erreicht, der aus mittlerer Sicht nur noch ein spärliches Wachstum ermöglicht."

Einstellen, ignorieren

Die Branche reagiert - auch in Österreich - auf die Unkenrufe unterschiedlich: "Manche stellen sich auf die bedrohliche Lage ein, andere versuchen die Situation durch konsequentes Ignorieren zu meistern" , sagt Fink.

Der Wandel sei offensichtlich, die Augen verschließen, das könne man nicht, sagt Reinhart Nagel, Vorstand der osb International Consulting AG. "Die Kunden sind nicht nur viel kritischer, sondern auch bewusster geworden. Sie erwarten zu Recht mehr."

Das hänge nicht nur mit der medialen Berichterstattung, sondern mit der wachsenden Kompetenz der Auftraggeber zusammen: "Die agieren wesentlich professioneller als früher. Sie haben sehr genaue Vorstellungen davon, was Beratung leisten kann und was nicht. Ein Manager mit 40 Jahren hat im Schnitt schon mit drei oder vier Beratern Erfahrungen gesammelt. Dem können Sie nicht einfach irgendetwas verkaufen" , so Nagel. "Gute Ideen und theoretische Empfehlungen sind schon lange nicht mehr genug" , sagt auch Julia Culen, Geschäftsführerin der Beratergruppe Neuwaldegg. "Wir werden an unserer Wirkung gemessen und den konkreten Ergebnissen für die Organisation!"

Umsetzung gefragt

Die Firmen erwarten von ihren Consultants ergo nicht nur Konzepte mit Biss, sondern vor allem tatkräftige Hilfe bei der deren Umsetzung. Papier ist geduldig, nun zeigt auch, dass eure Ideen praxistauglich sind! So lautet die Devise.

Und die Vorgaben liegen auf dem Tisch: "Der Wert, den unsere Beratung für den Auftraggeber schaffen muss, hat ein Vielfaches unseres Honorars zu sein. Das ist klar" , sagt Christian Krammer, Partner der Boston Consulting Group (BCG) und Mitglied des Management-Teams Wien. "Angelehnt an dem Return on Investment arbeiten wir mit einem Return-on-Consulting-Cost-Ansatz. Nach Ende jedes Projekts wird berechnet, ob unser Team sein Ziel erreicht hat oder nicht."

Am Beginn jedes Einsatzes stünde immer eine schriftliche Vereinbarung, in der Klienten und Berater gemeinsam ihr Verständnis von der Zusammenarbeit festhielten, sagt Georg Kasperkovitz, Partner des Wiener Büros von McKinsey: "Es ist enorm wichtig, das Endprodukt klar zu beschreiben, damit die Zielsetzungen und Erwartungshaltungen klar sind."

Den Kostendruck solle man nicht überbewerten, sagt Rupert Petry. Wenn der Wert der Beratung ersichtlich sei, würden die Kunden auch bereit sein, für die Leistung zu zahlen: "Allerdings müssen Sie heute gut begründen können, was Ihre Arbeit kurz und mittelfristig für das Unternehmen bringt. Dass sich eine Maßnahme in zehn Jahren positiv auswirken könnte, ist sicher kein ziehendes Argument."

Was bleibt unterm Strich?

Der Haken dabei: Nicht jedes Resultat kann in Euros unterlegt werden. Wie soll sich etwa an Zahlen festmachen lassen, was der Mehrwert einer neu aufgestellten Organisationsstruktur,einer verbesserten Mitarbeitermotivation und höheren Kundenzufriedenheit ist? "Anders ist das bei Cost-cutting-Projekten" , sagt Kasperkovitz, "hier lässt sich nach Abschluss relativ klar zeigen, mit welchen Maßnahmen welche Ergebnisverbesserung erzielt worden ist."

Nagel warnt in diesem Zusammenhang vor einseitiger Darstellung: "Natürlich kann es gelingen, im Zuge eines solchen Programms den geplanten Einsparungseffekt zu erzielen. Aber man sollte nie außer Acht lassen, wozu es führen kann, wenn ein Unternehmen unter die Substanz gespart wird. Wenn keine Reserven mehr da sind, die Expertise wegrationalisiert wird, kippt der Laden beim nächstanstehenden Problem."

Zu so einem Szenario gehören allerdings zwei, sagt Julia Culen: Anstatt sich ständig an Klarheiten von außen anhalten zu wollen, müssten Kunden lernen, die Komplexität und Unsicherheit anzuerkennen, unter denen gerade derzeit Entscheidungen zu treffen seien. Das könne keine externe Beratung abnehmen: "Schwierig wird es dann, wenn die Klienten zu beratergläubig sind, sich von ihnen entfähigen, statt befähigen lassen. Das ist allerdings für Consultants ein lukratives Geschäftsmodell, das die Grundidee von Beratung beschädigt."

Noch eine andere Entwicklung beunruhigt die Branche: Konkurrenz machen ihnen die Klienten selbst. Konzerne wie VW, Porsche, Siemens oder die Deutsche Bank haben sich darauf fokussiert, Inhouse-Abteilungen aufzubauen, die das tun sollen, was früher Aufgabe des externen Consulters war: Strategien entwickeln, Prozesse optimieren und troubleshooten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Strategieberater benötigen einige Wochen, bis sie - zum Beispiel - die Hierarchien von Großkonzernen verstehen, Hausberater wissen hingegen sofort, wie der Hase läuft.

Treppenwitz am Rande: Um die interne Expertise zu generieren, bedienen sich die Unternehmen noch gerne der Spezialisten von außen: "Wir haben vielen Konzernen geholfen, interne Fähigkeiten aufzubauen" , sagt Krammer, "Ziel ist bei bestimmten Problemstellungen, keinen Berater mehr beschäftigen zu müssen."

"Enablement"

Ein Trend, der aus den USA kommt und unter dem Titel Enablement läuft. Die Befürchtung, sich dadurch selbst das Wasser abzugraben, hat Krammer nicht. Die Inhouse-Consulter sehe er höchstens in Teilbereichen als Konkurrenz. "Diese Unternehmen beschäftigen uns zunehmend, wenn sie in kurzer Zeit große Programme implementieren müssen, weil wir sehr viel Erfahrung mitbringen und die Umsetzungsstärke erhöhen."

Doch bei allem zur Schau gestellten Optimismus, die Nervosität in der Branche ist deutlich spürbar. Auf jedes Wort wird Bedacht genommen. Von neuen schwierigen Fragestellungen, der Notwendigkeit großer Flexibilität und volatilen Rahmenbedingungen ist da die Rede. So klingen pessimistische Zukunftsperspektiven im Beraterdeutsch. (Judith Hecht/DER STANDARD; Printausgabe, 12./13.11.2011)