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Wenige Touristen und ein geduldig wartender Wächter vor den Ruinen des Pharao in Assuan. Von 340 Nilschiffen sind derzeit nur 40 in Betrieb.

Foto: Reuters/Waguih

In Assuan hofft man deshalb, dass nach den Wahlen endlich die Wende kommt.

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"Ich schlafe viel in diesen Tagen", sagt Mohammed Ali sarkastisch. Sein Telefon klingelt nur selten. Selten nehmen Touristen seine Chauffeurdienste in Anspruch. So wie ihm geht es in Assuan derzeit Tausenden. Die Metropole im Süden des Landes lebt von den Touristen, aber die kommen in dieser Saison nur spärlich. Die Feluka-Kapitäne und Kaleschen-Kutscher streiten sich um jeden Gast. Die Preise sind im Keller. Der einstündige Turn mit der Feluka, dem traditionellen Nil-Segelschiff, kostet nicht mehr als vor zwölf Jahren, obwohl sich der Geldwert seither mindestens halbiert hat. Mohammed sorgt sich vor allem um die Zukunft seiner vier Kinder.

Der Chef der lokalen Touristenbehörde zeigt sich dagegen optimistisch. "Nach dem Tiefpunkt steigt die Zahl der Gäste mit jedem Monat" , sagt Abdel Hakim Hussein. Aber das ist auch nicht erstaunlich, denn der Sommer ist die tote Zeit in Assuan, und die Saison beginnt erst im Oktober, wenn die Temperaturen angenehmer werden. Ein erster Höhepunkt sollte das Sonnenfest am 21. Oktober im Felsentempel von Abu Simbel sein. "Dieses Jahr ist eine Katastrophe. Die Auslastung im Oktober betrug gerade 25 Prozent, verglichen mit 85 Prozent im Vorjahr" , erklärt ein lokaler Hotelmanager. "Der ganzen Branche geht es so. Viele mussten Mitarbeiter entlassen. Alle leiden, bis hin zum Gemüselieferanten. Manche Firmen, etwa Limousinen-Unternehmen, haben bereits ganz dichtgemacht" , präzisiert er.

Der Tourismus in Assuan, 900 Kilometer südlich von Kairo, hat seinen eigenen Charakter. Der Großteil der Gäste besucht Assuan im Rahmen von Nilkreuzfahrten, der Rest sind Individualreisende. Gewalttätige Auseinandersetzungen, wie sie seit der Revolution im Frühjahr immer wieder aufflammen - etwa die Zusammenstöße zwischen dem Militär und koptischen Demonstranten Anfang Oktober in Kairo mit 27 Toten -, sind Gift für diese Art Tourismus. Von den 340 Nilschiffen sind derzeit nur 40 in Betrieb.

Auch wenn Hussein betont, dass Assuan weit weg von Kairo liege und überhaupt während der gesamten Revolution nie ein Tourist zu Schaden gekommen sei. In Ägypten ist der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsmotor, von dem jeder achte Arbeitsplatz abhängt und dessen Einkünfte rund elf Prozent zum Bruttosozialprodukt beisteuern. Viele in Assuan hoffen deshalb, dass die Wahlen politische Stabilität und damit die Touristen zurückbringen werden. "Wir brauchen nur Ruhe, dann wird alles gut" , ist Nabil überzeugt, der in seinem Gewürzladen sitzt und die Wahl-Sonderseiten der Tageszeitung studiert.

Auch politisch hat Oberägypten seine Eigenheiten. Bei der Wahl spielt traditionell die Familienzugehörigkeit die wichtigste Rolle. Gewählt wird hier in der zweiten Runde, am 14. Dezember. Vom Wahlkampf ist noch kaum etwas zu spüren. Die meisten Plakate haben al-Nour, eine von mehreren Parteien der ultrakonservativen Salafisten, und die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei der Muslimbrüder aufgehängt.

Egal, wer gewinnt

Es ist völlig egal, wer gewinnt, ob al-Nour, die Muslimbrüder oder eine andere Partei. Entscheidend ist, dass sie sich für die Zukunft des Landes einsetzen und nicht für ihre kleinlichen Einzelinteressen" , meint Hussein, der überzeugt ist, dass die Parlaments- und vor allem danach die Präsidentenwahlen Ägypten Aufschwung bringen werden. Er fordert von allen Ägyptern noch ein paar Monate Geduld, nachdem sie schon 30 Jahre auf die Freiheit gewartet hätten.

Der Hotelmanager ist skeptischer. Die politische Zukunft sei alles andere als sicher, es gebe auch keine Garantien, dass die Wahlen, die sich über viele Monate hinziehen werden, gewaltfrei verlaufen, sagt er. Das sei auch der Eindruck der ausländischen Geschäftspartner. Sie seien abwartend. Die Aussichten für den Tourismus seien daher eher düster. (Astrid Frefel aus Assuan /DER STANDARD, Printausgabe,12.11.2011)