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Ankunft eines in Afghanistan gefallenen Soldaten auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Dover. Dort regierte nach neuesten Erkenntnissen offenbar jahrelang der Schlendrian.

Foto: AP/Heisenfelt

In Dover, wo die Kriegstoten hingebracht werden, wurde offenbar achtlos mit ihnen umgegangen. Die Vorfälle werden jetzt untersucht.

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Gari-Lynn Smith weiß bis heute nicht, was von ihrem Mann übrig war, als er begraben wurde. Im Juli 2006 hatte eine Bombe den 34-jährigen Sergeant Scott Smith im Irak zerrissen. Der Tote wurde nach Dover geflogen, einem Luftwaffenstützpunkt am Atlantik, auf den gefallene US-Soldaten überführt werden. Tage später wurde Smith in seiner Heimatstadt in Pennsylvania bestattet, in einem Sarg, über den sich ein patriotisches Sternenbanner spannte.

Die Leiche sei in so argem Zustand, dass man den Sargdeckel zulasse, wurde der Witwe mitgeteilt. Später erfuhr Smith die volle Wahrheit: Einige der sterblichen Überreste ihres Mannes wurden verbrannt; die Asche landete auf einer Mülldeponie in Virginia.

"Es hat mich ins Mark getroffen", sagt die Witwe dem TV-Sender CBS News. Nie habe die Armee auch nur angedeutet, dass Leichenteile auf dem Müll landen könnten. Auch was nachträglich zugeordnet werde, werde angemessen bestattet, habe es geheißen. Am Donnerstag ordnete Verteidigungsminister Leon Panetta, konfrontiert mit heftigen Protesten aufgebrachter Kriegsveteranen, eine Untersuchung an. Er will dem auf den Grund gehen, was die Luftwaffe selbst "schweres Missmanagement" nennt.

Zur erneuten Verwendung

Seit 2003, als George W. Bush Truppen in den Irak beorderte, häuft sich die Zahl der Särge, die am Dover Air Force Base eingeflogen werden - bislang über 4400 aus dem Zweistromland und mehr als 1800 aus Afghanistan. Genau genommen sind es gekühlte Metallkisten, die zur erneuten Verwendung wieder nach Bagdad oder Kabul geschickt werden. In Dover identifizieren Pathologen die Toten. Manchmal werden sie zusammengeflickt, bevor man sie in ihrer Uniform in den Sarg legt.

Nun wird offenbar, dass in Dover wohl jahrelang der Schlendrian regierte. In einem Fall waren die Knöchelknochen eines Gefallenen verschwunden. In einem anderen sägten Leichenbestatter kurzerhand den Arm eines Toten ab, weil er aus der Schulter ragte und nicht in den Sarg passte.

Mindestens viermal wurden Leichenteile auf Deponien entsorgt, ohne die Angehörigen zu informieren. Noch kann niemand sagen, ob die Ermittler des Pentagons womöglich noch weitere Skandale zutage fördern.

Schon 2007 enthüllte die Zeitung Washington Post, dass im Walter-Reed-Militärkrankenhaus Verwundete auf schimmelnden Matratzen lagen und Kakerlaken durch die Räume huschten. 2009 wurde bekannt, dass Soldaten auf dem Nationalfriedhof Arlington mehrfach in falschen Gräbern bestattet worden waren.

In Dover schlugen drei Leichenbeschauer vor gut einem Jahr Alarm und brachten die Lawine ins Rollen. Echte personelle Konsequenzen stehen noch aus. Ein Colonell wurde zum Schreibtischdienst ins Pentagon beordert. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe,12.11.2011)