Türkische Sicherheitskräfte haben Samstag früh eine zwölfstündige Geiselnahme auf einer Passagierfähre im Marmara-Meer beendet und den kurdischen Geiselnehmer erschossen. Bei dem Entführer handelte es sich laut den Behörden um ein Mitglied der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Befürchtungen, der Mann habe ein Bombe bei sich gehabt, bestätigten sich nicht - er trug eine Attrappe bei sich.
Die Fähre "Kartepe" wurde am Freitagnachmittag im Marmara-Meer im Nordwesten der Türkei entführt. An Bord befanden sich 24 Menschen, 18 von ihnen waren Passagiere. Sie alle seien in Sicherheit, sagte der Gouverneur von Istanbul, Huseyin Avni Mutlu.
Sicherheitskräfte stürmten das Schiff um 04.35 Uhr MEZ vor der Küste der Stadt Silivri westlich von Istanbul. Der Geiselnehmer, laut Innenminister Idris Naim Sener der 1984 geborene Mensur Güzel aus Kulp, sei kurz nach Beginn des Einsatzes getötet worden, sagte Mutlu. Demnach gingen die Sicherheitskräfte davon aus, dass er einen Sprengsatz bei sich trage. Der Gouverneur der Provinz Kocaeli, von wo aus die Fähre gestartet war, Ercan Topaca, gab später bekannt, am Körper des Mannes sei ein Apparat bestehend aus Kabeln und einer bombenähnlichen Flasche gefunden worden.
Ein Passagier des entführten Schiffes sagte dem Privatsender NTV, der Rettungseinsatz sei nach zehn Minuten beendet gewesen. Die Geiseln hätten sechs Schüsse gehört, sagte Ceyhun Tezel. Demnach hatten die Passagiere den Piraten gar nicht zu Gesicht bekommen und nur durch ihre Verspätung und einen abweichenden Kurs bemerkt, dass ihr Schiff entführt worden war. Der Entführer hatte zwischenzeitlich Treibstoff und Lebensmittel verlangt, wie Verkehrsminister Binali Yildirim sagte. Die Passagierfähre war zunächst einige Stunden lang gefahren und hatte dann gestoppt. Schiffe der Küstenwache waren die ganze Zeit über in unmittelbarer Nähe der Fähre.
Bei dem Entführer handelte es sich nach Angaben Mutlus um ein "Mitglied der Terrororganisation", eine Bezeichnung für Anhänger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Güzel habe zuletzt in Kocaeli die Jugendorganisation der PKK geleitet. Topaca zufolge wurde ein mutmaßlicher Komplize des Entführers in der Hafenstadt Izmit festgenommen. Laut Medienberichten durchsuchte die Polizei das Haus des getöteten Entführers.
Im Marmara-Meer liegt die Imrali-Insel, auf der seit Jahren PKK-Chef Abdullah Öcalan inhaftiert ist. Laut Medienberichten könnte es das Ziel des Entführers gewesen sein, die rund 120 Kilometer südwestlich vom Ort der Entführung liegende Insel anzusteuern. Die türkischen Behörden hatten demnach die Sicherheitsvorkehrungen vor der Insel verstärkt.
Zuletzt waren bei einem Selbstmordanschlag der PKK im November vergangenen Jahres in Istanbul 32 Menschen verletzt worden. Nach einem blutigen Angriff auf türkische Soldaten im Oktober war die Armee mit einem großangelegten Einsatz gegen PKK-Rebellen im Südosten der Türkei und im Nordirak vorgegangen.
Die PKK hatte im Jahr 1984 den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat aufgenommen. In dem Konflikt starben rund 45.000 Menschen. Die Türkei, die EU und die USA stufen die PKK als Terrororganisation ein. (APA)