Wien - Die ÖBB machen im Kampf gegen die Korruption im Güterverkehr Ernst: Insgesamt wurden bereits über zehn Manager gefeuert und auch Strafanzeigen in mehreren Ländern eingebracht. ÖBB-Chef Christian Kern nimmt nun die Auslandstöchter an die Kandare: "Sie werden voll ins Controlling des Konzerns integriert - was bei knapp 100 Gesellschaften ein Riesenaufwand ist", wird der Bahn-Boss im Nachrichtenmagazin "Format" zitiert.
Headhunter Egon Zehnder soll nun zwischen 20 und 30 neue Manager für die Auslandstöchter suchen. So will Kern einerseits die Gefeuerten ersetzen, andererseits aber auch die Mannschaft ausbauen. Zudem werden die ÖBB in rund zwei Wochen einen Chief Compliance Officer bestellen, in dessen Bereich eine eigene Antikorruptionsstelle eingerichtet wird.
Die Geschäfte der Güterverkehrssparte der ÖBB samt Lkw-Speditionsgeschäft unter den früheren Vorständen Gustav Poschalko und Friedrich Macher werden von der internen Revision geprüft. Poschalko weist alle Vorwürfe zurück. "Ich habe mit absoluter Sicherheit nichts Unrechtes getan." Er lässt durchblicken, dass die Misere erst unter seinem Nachfolger Macher begonnen habe. Dieser wiederum argumentiert, dass er von Poschalko den ganzen Wildwuchs habe übernehmen müssen. Den RCA-Vorständen und den Geschäftsführern der EXIF wird vorderhand die Entlastung verweigert. Es gibt zwar keine Hinweise persönlicher Bereicherung, aber doch den Verdacht, dass Aufsichtspflichten verletzt wurden, so das Magazin.
Express Interfracht im Visier
Bei der Güterverkehrstochter Express Interfracht GmbH (EXIF) in Wien-Freudenau wurde nach kurzen Recherchen am 4. November Strafanzeige gegen zwei Manager erhoben, sie wurden suspendiert. Tags darauf rückte das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung zu Hausdurchsuchungen aus. Mittlerweile sei einer der Beschuldigten geständig, so das Magazin. Der Vorwurf laute auf Untreue und schweren gewerbsmäßigen Betrug. Seit 2008 sollen bei Lkw-Transporten nach Russland regelmäßig Zahlungen an zwei Personen beziehungsweise Scheinfirmen erfolgt sein. Es gehe um Schmiergeld an die Einkäufer einer russischen Papierfabrik, um an Aufträge von dort zu kommen. Die Schadenssumme betrage zwischen 200.000 und 300.000 Euro.
Auch in Polen rollen die Köpfe: Diese Woche wurde das lokale Management der Express-Interfracht Polska fristlos entlassen. Untersuchungen ergaben laut Bericht schwerwiegende Hinweise, dass Waren aus einem Stahllager verschwunden seien. Ob sich ÖBB-Leute bereichert haben, sei noch unklar. Zumindest lägen grobe Sorgfaltsverletzungen und Schlamperei vor. Die Erstattung von Strafanzeigen werde derzeit geprüft.
Türkei- und Rumänien-Töchter ebenfalls verdächtigt
In der Türkei zahlte die dortige EXIF-Tochter nach internem Ermittlungsstand Bestechungsgelder an Kunden, so das Magazin. Demnach wurde in den Jahren 2009 und 2010 offenbar der Zoll geschmiert. Diese Art der Korruption sei in der Türkei üblich und daher teilweise sogar in der Buchhaltung offiziell geführt worden, heißt es aus den ÖBB. Noch im November soll eine Sachverhaltsdarstellung bei der türkischen Staatsanwaltschaft eingebracht werden. Bisher wurde ein Schaden von rund 200.000 Euro bekannt. Auch Schadenersatzklagen nach österreichischem Recht gegen die Verantwortlichen stehen im Raum.
Bei der EXIF Romania wurden vergangene Woche zwei Sachverhaltsdarstellungen gegen drei frühere Geschäftsführer bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht. Die interne ÖBB-Revision habe in Rumänien aufgedeckt, dass ohne Genehmigungen schon 2004 im Ort Otopeni ein Anschlussgleis zu einer neu gebauten Lagerhalle in Bukarest geplant wurde. Mangels Erhaltungsmaßnahmen ist das Bauwerk mittlerweile zum Teil wieder verfallen, zum Teil wurden die Geleise von einer Gemeinde wieder abgerissen, die jetzt genau auf diesem Gelände einen Autobahnanschluss errichten will. Die ÖBB werden das gesamte Projekt wertberichtigen müssen. Außerdem bestehe der Verdacht, dass auch für andere Grundstücke in Rumänien überhöhte Preise gezahlt wurden. Nach derzeitigem Ermittlungsstand ist ein Schaden von insgesamt 1,8 Millionen Euro entstanden. Den Strafanzeigen hat sich das Unternehmen daher als privatbeteiligte Partei angeschlossen, um Schadenersatz von den Managern einfordern zu können. (APA)