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Die drei mutmaßlichen Täter der Döner-Mordserie und des Polizistenmordes in Heilbronn.

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Beate Z. dürfte diese Wohnung in Brand gesteckt haben, um Beweise zu vernichten.

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Gedenken an die ermordete Polizistin Michele K.

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Karlsruhe/Zwickau/Essen – Nach der spektakulären Wende im Fall der Polizisten- und Döner-Morde (derStandard.at berichtete) prüfen Ermittler in ganz Deutschland nun mögliche Verbindungen zu ungeklärten Anschlägen. Die deutsche Bundesanwaltschaft hatte am Freitag die Ermittlungen übernommen und geht von rechtsextremen Tätern aus. Zuvor war die Tatwaffe aus den sogenannten Döner-Morden bei dem Bankräuber-Trio aus Sachsen gefunden worden, das auch für den Mord an einer Polizistin in Heilbronn vor viereinhalb Jahren verantwortlich gemacht wird. Die zwei Männer sollen sich vor einer Woche selbst erschossen haben, ihre Komplizin stellte sich danach der Polizei.

"Rechtsextremisten als Terroristen"

Nach der spektakuläre Wende im Fall des Polizistinnen-Mordes von Heilbronn warnte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) vor einem "Rechtsterrorismus in Deutschland". "Wir müssen die Hintergründe sorgfältig aufklären, aber was wir bisher wissen, ist in seinem Ausmaß erschütternd", sagte Jäger den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe vom Samstag. "Aus Rechtsextremisten sind Terroristen geworden."

Möglicherweise auch Täter bei Nagelbombenanschlag

Die Ermittler untersuchen nun unter anderem mögliche Verbindungen zu Anschlägen in Nordrhein-Westfalen. "Wir prüfen auch, ob in diesem Zusammenhang weitere Straftaten in NRW begangen worden sind", sagte Jäger. Nach Informationen der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung" (Samstagsausgabe) geht es dabei um einen Nagelbombenanschlag in einer überwiegend von Türken bewohnten Straße in Köln im Jahr 2004 sowie um einen Anschlag auf jüdische Aussiedler an einer S-Bahn-Haltestelle in Düsseldorf im Jahr 2000. "Wir gehen allen Hinweisen nach", sagte ein Sprecher des Innenministeriums zu dem Bericht.

Geheimdienst hat vielleicht Bescheid gewusst

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), sagte der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Samstag): "Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich aus all dem noch ein Verfassungsschutzproblem ergibt." Möglicherweise habe der Geheimdienst mehr über die Hintergründe der Taten gewusst, als bisher bekannt sei.

Gruppe hätte 1998 festgenommen werden können

Die rechtsextremen deutschen Verdächtigen, die hinter dem Heilbronner Polizistenmord und den sogenannten Döner-Morden stecken sollen, hätten nach Informationen des "Tagesspiegels" bereits 1998 festgenommen werden können. Im dem Jahr hätten Beamte vor einer Razzia Beate Z. einen Durchsuchungsbefehl übergeben, sie aber nicht in Gewahrsam genommen. Bei der Razzia in einer Garage seien mehrere Rohrbomben entdeckt worden. Eine Festnahme habe es aber dennoch nicht gegeben. Danach sei Beate Z., die derzeit in Untersuchungshaft sitzt, mit zwei weiteren, mittlerweile toten Männern jahrelang untergetaucht.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, rief zu einem verstärkten Kampf gegen Rechtsextremismus auf. "Der Fall zeigt, dass wir leider noch immer gewaltbereite Rechtsradikale in Deutschland haben", sagte Oppermann der Zeitung "Die Welt" (Samstagsausgabe). "Wir müssen weiter daran arbeiten, jeder Form von Rechtsextremismus und Fremdenhass den Nährboden zu entziehen."

"Home grown terrorists"

Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, nannte die Morde an der Polizistin in Heilbronn und an neun ausländischen Ladenbesitzern Terrorismus. "Für mich ist das ein klassischer Fall von home grown terrorists – und zwar über Jahre hinweg", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Samstag). In dem gleichen Blatt sprach der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, von "Rechtsterrorismus". "Wir werden in der Türkischen Gemeinde gleich morgen darüber sprechen und entsprechende Protestaktionen starten", wird Kolat zitiert.

Zusammenhänge noch nicht klar

Die "Süddeutsche Zeitung" (Samstagsausgabe) zitierte dagegen Sicherheitskreise mit der Aussage, es gebe bisher keinerlei Hinweise dafür, dass sich in Deutschland nach dem Vorbild etwa der Roten Armee Fraktion (RAF) zu ideologisch motivierten schweren Gewalttaten zusammengeschlossen hätten. "Wir haben bislang überhaupt keine Anzeichen für einen solche strukturelle Gruppe", hieß es. So sei kein Fall bekannt, in der rechtsextremistische Gewalttäter beispielsweise mit Banküberfällen Geld verschafft hätten, um aus ideologischen Gründen zu morden. Die Zusammenhänge zwischen dem Mord an der Polizistin und den Dönerbuden-Morden seien bisher "absolut mysteriös".

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erwartet Fortschritte bei den Ermittlungen, nachdem die Tatwaffe gefunden wurde. "Ich bin mir sicher, dass diese Erkenntnisse für unsere bayerischen Ermittlungsverfahren von großer Bedeutung sind und die Ermittlungen dadurch erheblich vorangebracht werden können", sagte Herrmann. "Unsere Ermittler arbeiten jetzt mit Hochdruck weiter."

Zwischen September 2000 und April 2006 waren acht türkische und ein griechischer Unternehmer erschossen worden. Die blutige Spur zog sich quer durch Deutschland: Drei Morde ereigneten sich in Nürnberg, zwei weitere in München, jeweils ein Mord geschah in Hamburg, Rostock, Dortmund und Kassel. Benutzt wurde immer dieselbe Waffe, eine tschechische Pistole der Marke Ceska, Kaliber 7,65. (APA)