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Zwei schwule Männer in den USA mit ihren gemeinsamen Kindern, zwei kleinen Mädchen: Da wird es so manchem "Wertkonservativen" mulmig

Foto: EPA/ARLEEN

Für Menschen, die die Gleichstellung Homosexueller ablehnen - das sind, wenn man genauer nachfragt, immer noch erschreckend viele - ist das Bildmotiv zu diesem Blogeintrag ein zentrales Angstmotiv. Zwei schwule Männer in den USA mit ihren gemeinsamen Kindern, zwei kleinen Mädchen: Da wird es so manchem "Wertkonservativen" mulmig, denn es kommen ihm oder ihr Pädophilie-Assoziationen hoch.

Vor allem jenen, die Teile ihrer Kindheit in katholischen oder aus anderen Gründen "nur Buben" oder "nur Mädchen" vorbehaltenen Internaten verbringen mussten: Institute, die - wie die einschlägigen Skandalaufdeckungen der vergangenen Jahre zeigen - eine große Anziehungskraft auf Personen mit sexueller Fixierung auf Kinder ausüben, welche sich die Machtlosigkeit der Kinder zunutze mach(t)en; vor allem die männerbündischen unter diesen Orten der Erziehung.

Und auch lesbischen Frauenpaaren sprechen besagte Wertkonservative die Fähigkeit zur Familiengründung ab. Dass Frauen ohne Mann im Haus und dennoch nicht alleinerziehend-mehrfachbelastet-einsam für Kinder sorgen können, verstößt gegen bestehende Rollenzuschreibungen. Und außerdem: Wo bleibt da für das "arme Kind" das angeblich so unverzichtbare männliche Vorbild?

Vorurteilsbeladen

Derlei vorurteilsbeladene Vorstellungen sind der Hintergrund - und von dort aus wirken sie stark! - von Vorbehalten gegen schwule und lesbische Familien. Sind deren heißer, weil gefühlsbeladener Kern. Dabei hat Homosexualität mit Pädophilie genauso viel zu tun wie Heterosexualität mit Pädophilie. Also müsste man, auf besagtem Vorbehalts-Gedankenpfad weiterdenkend, auch Heterosexuellen die Familiengründung mit Kindern verbieten. Und, was lesbische Mütter und Frauenpaare angeht: Schon bisher haben Generationen von Frauen, verwandt oder befreundet, ihren Nachwuchs mit vereinten Kräften ohne Männer hochgebracht, weil die Männer im Krieg oder bei anderen Frauen geblieben waren.

Vergangenen Freitag nun hat der Verfassungsgerichtshof zwei Erkenntnisse veröffentlicht, die sich mit dem Thema "Homosexuelle und Familie" beschäftigt: Zwei, die auf widersprüchliche Art und Weise auf das Thema eingehen. Sodass klar wird, wie weit in den österreichischen Eliten die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Paare inzwischen geht - und wo sie endet. Um es vorwegzunehmen: Sie geht keinen Millimeter weiter als gesamteuropäisches Recht es verlangt. 

Im ersten, seit Freitag vieldiskutierten, Erkenntnis haben die Höchstrichter lesbischen und schwulen Paaren (Paaren allein, nicht Paaren mit Kindern, wohlgemerkt) das Recht, Familie zu sein, eindeutig zuerkannt. Anlass der Beschwerde des Wiener Anwalts Helmut Graupner war eine jener bürokratischen Gemeinheiten, mit denen der Gesetzgeber Lesben und Schwulen Anfang 2010 die Freude über die damals in Kraft tretenden Eingetragenen Partnerschaften zu vergällen versuchte: Um klarzustellen, dass homosexuelle Partnerschaften keine "Familien" zu sein haben (vor allem, wenn es nach der bis zuletzt blockierenden ÖVP ging) wurde ihnen beim Führen von Doppelnamen der Bindestrich verboten. Eine scheinbare Kleinigkeit - die jedoch zur Folge hatte, dass lesbische oder schwule Doppelnamenträger in ihren Papieren als Homosexuelle zu erkennen waren: ein Zwangsouting.

Ende einer Skurrilität

Die Höchstrichter hoben diese Skurrilität mit ernst gemeintem Hintergrund auf, und zwar unter Hinweis auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der in seiner Rechtssprechung inzwischen eindeutig davon ausgeht, dass homosexuelle Partner ein Familienleben führen, das als solches durch Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt ist, so wie das Familienleben Heterosexueller auch. Damit hätten Homosexuelle auch das Recht auf Doppelnamen zu den gleichen Bedingungen wie Mann-Frau-Verbindungen 8 (siehe auch: "VfGH: Doppelnamen nun mit Bindestrich").

Im anderen, bisher wenig bis gar nicht diskutierten, Spruch hingegen strichen die Höchstrichter die Unterschiede zwischen Homo- und heterosexuellen Paaren hervor. Beschwerdeführend war ein Mann-Frau-Paar mit Kind, das seit langen Jahren unverheiratet eine Lebensgemeinschaft lebt - und gern eine Eingetragene Partnerschaft eingegangen wäre: für sie eine "in mehrfacher Hinsicht modernere und lockerere" Form staatlicher Anerkennung als die Ehe (sich scheiden lassen ist einfacher, die Unterhaltspflichten danach niedriger).

Der Verfassungsgerichtshof lehnte dies ab: Für Mann-Frau-Paare gebe es ohnehin die Ehe. Eingetragene Partnerschaften hingegen seien eingeführt worden, um in Staaten wie Österreich, wo die Ehe Homosexuellenpaaren bisher nicht geöffnet worden ist, zu verhindern, dass gleichgeschlechtliche Partner diskriminiert würden. Die Eingetragene Partnerschaft stelle Homosexuellenpaare umfassend gleich - aber ohne Recht auf gemeinsame Elternschaft.

"Kein Konsens"

Denn: Eine "Prämisse", laut der "verschiedengeschlechtliche Paare mit gleichgeschlechtlichen Paaren in jeder Hinsicht vergleichbar und daher rechtlich in jeder Weise gleich zu behandeln wären" könne "dem geltenden Verfassungsrecht nicht unterstellt werden". Und: Es bestehe "kein europäischer Konsens auf dem Gebiet". Damit wird Mann-Frau-Paaren die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Formen staatlicher Registrierung ihrer Partnerschaft verwehrt - mit dem Argument, dass europaweit noch keine einhellige Meinung über derlei Offenheit bestehe. Man kann es drehen und wenden wie man will: Vorausblickend und rechtlich mutig ist das von den österreichischen Verfassungsrichtern nicht. (Irene Brickner/derStandard.at, 12.11.2011)