Das ABS scheidet seit Jahren die Geister. Auf der einen Seite die Sicherheitsfanatiker - der ÖAMTC bekommt schon Traumata an den Händen, vor lauter Begeisterungspaschern, allein wenn er die Abkürzung hört - auf der anderen Seite stehen die Sportfahrer. Dabei beginnt die Diskussion nicht erst bei den Motorradfahrern, sondern schon im Automobilbereich. Driften mit ABS ist ungefähr so sexy wie Tennissocken in der Hochzeitsnacht. Im Zweiradbereich ähnelt die ABS-Diskussion dem Gezanke von iPhone-Fans und Android-Usern.
Keine Frage. Im normalen Straßenverkehr, für den durchschnittlichen Fahrer, reduziert ein System, das Reifenblockierer verhindert, den Bremsweg, die Aufprallgeschwindigkeit oder im Idealfall sogar die Einschlagswahrscheinlichkeit. Nur bei den Motorsportarten, bei denen das blockierende Rad zum kleinen Einmaleins gehört, ist die Begeisterung ziemlich gering - sehen wir einmal von den Racern ab, die über Sponsorverträge dafür bezahlt werden, zu jubeln - und jenen, die vielleicht ein System nutzen, das wirklich so perfekt arbeitet, dass man sogar Schlupfbremsen kann, ohne dass das ABS eingreift.
Loser Schotter versus Stotter-Bremse
Wer einmal im Gelände unterwegs war, weiß, dass hier andere Gesetze gelten und blockierte Räder mitunter besser verzögern als ein rotierendes Rad - vom Andriften einer Ecke ganz zu schweigen. Und wer hat uns das ABS am Motorrad eingebrockt? Genau, BMW. Inzwischen sind 23 Jahre ins Land gezogen, seit das erste ABS-Motorrad am Markt ist, und bis heute lieferte BMW 1,2 Millionen Motorräder mit dem System aus. Die letzte Evolutionsstufe des Antiblockiersystems steckt in der Supersport-Maschine S1000RR, bei der im Rennstrecken Modus „Slick" sogar ein blockierendes Hinterrad zugelassen wird.
Jetzt baut BMW das erste ABS für Offroad-Motorräder. Als Basis dafür dient genau das zuvor erwähnte S1000RR-System. Doch nicht auf einer neuen G450X, sondern auf einer Husqvarna, der TE-449.
Die Geschichte der Huskies
Husqvarna ist nach Royal Enfield und noch vor Harley Davidson die zweitälteste Motorradmarke der Welt, die ununterbrochen produzierte. 1921 kam das erste Modell auf den Markt, und die Huskies bewiesen sich schon 1933, als sie mit ihrer Rennmaschine den Europameistertitel in der 500er Klasse holten. In den 1960er und 1970er Jahren holte sich die Marke mehrere Moto-Cross-Weltmeister-Titel. 1987 kauft die Castiglioni-Gruppe, der damals Cagiva gehörte, Husqvarna. Nachdem die Castiglioni-Gruppe auch noch MV Agusta übernommen hat - Ducati und Aermacchi gehörten schon dazu -, kommt sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten und Harley Davidson übernimmt das Unternehmen 2008. Bereits ein Jahr zuvor hat BMW die Marke Husqvarna aus dem Unternehmen freigekauft. Die Motorräder werden damals bereits seit fast 10 Jahren im italienischen Varese produziert - und Husqvarna wird als eigenständiges Unternehmen geführt. Aber es profitiert von den Errungenschaften BMWs.
So stellt Husqvarna auf der EICMA die Nuda 900 aus, ein Straßenmotorrad, das mehr BMW F 800 in sich hat als ein Soda-Zitron Wasser. Und natürlich das erste Offroad-ABS der Welt, das in der TE-449 verbaut wird. Lediglich 1,5 Kilogramm wiegt der Bremsassistent. „Bei dem im Entwicklungsträger Husqvarna TE-449 verwendeten System handelt es sich um ein sogenanntes 2-Kanal-ABS mit Komponenten der angestammten, namhaften Entwicklungspartner von BMW Motorrad und Husqvarna Motorcycles", heißt es von BMW. „Der Aufbau besteht aus zwei Radsensoren und zugehörigen Impulsrädern zur Erfassung der Drehzahlen an Vorder- und Hinterrad, einem ABS-Druckmodulator sowie Hydraulik und elektronischer Regeleinheit. Aufgrund der besonderen fahrdynamischen Anforderungen im sportlichen Geländeeinsatz erfolgt die ABS-Regelung ausschließlich am Vorderrad. Die Hinterradbremse wird nicht geregelt, und das Hinterrad kann damit vom Fahrer bewusst blockiert werden."
Die Nutznießer stehen schon fest
Wie gut das System in der Praxis funktioniert, wissen wir noch nicht. Doch BMW verspricht, dass dieses System sportlich ambitionierten Hobby-Enduristen helfen soll, sich auf die Strecke zu konzentrieren. Sportlich ambitionierte Hobby-Enduristen, das ist der Großteil der Teilnehmer der Rennserien wie Enduro-Masters oder ACC.
In der IDM hat BMW mit seinem ABS schon Siege einfahren können - etwa Anfang Juli am Salzburg-Ring. Ob die ABS-Huskies nun auch die Offroad-Szene aufräumen werden, ist abzuwarten. Die Skepsis, die dem System entgegenschlägt, ist riesig - aber auch nicht größer als die Neugier.