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Das Gespenst der Schuldenkrise geht um.

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Markus Marterbauer macht sich Sorgen um den Sozialstaat...

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...nicht nur er will die Banken in die Schranken weisen.

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Wien - "Wir sind mitten in der Krise", sagt Wirtschaftsforscher Markus Marterbauer. "Ich glaube sogar, sie wird sich verschärfen, denn Italien wird dem Beispiel Griechenland folgen und sich auch zu Tode sparen." Marterbauer hat sich in seinem neuen Buch "Zahlen bitte" ausgiebig mit der Krise auseinandergesetzt. Es gäbe viele Ursachen, sagt er im Parlamentsklub der SPÖ in Wien anlässlich der Vorstellung seines Buches. Eine davon: Ein politisch gewollter Abbau der Regulierung der Finanzmärkte seit den 1980-er Jahren. Ungezügelte Finanzmärkte neigten zur Übertreibung, ist Marterbauer überzeugt und schlägt deswegen stärkere Regulierung vor: "Das Finanz- und Bankensystem muss massiv verkleinert werden."

Das "wirtschaftspolitische Fehlverhalten" in Ländern wie Griechenland, Irland, Portugal und Spanien sei gar nicht der Hauptgrund für die aktuelle Staatsschuldenkrise, meint der langjährige Wifo-Mitarbeiter. Vielmehr sei diese "in erheblichem Ausmaß" eine "sich selbst erfüllende Prophezeiung der vom Herdentrieb geprägten spekulativen Finanzmärkte". Durch diesen "Herdentrieb" habe sich "schlagartig" die Meinung durchgesetzt, die Schulden könnten nicht zurückgezahlt werden. Die Folge dieser Einschätzung: Die Kosten der Versicherung von Staatsanleihen und die Zinssätze seien tatsächlich gestiegen - und damit sei die Rückzahlung tatsächlich nicht mehr möglich gewesen.

Ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen

Schon den Ausgangspunkt der Krise - das Platzen der Immobilienblase in den USA - sieht Marterbauer in der Liberalisierung von Immobilien- und Finanzmärkten. Durch die Globalisierung der Finanzmärkte und die Spekulationsaktivitäten von Vermögenden und Banken habe sich die Finanzkrise auch in der EU rasch ausbreiten können. Ein Dorn im Auge ist Marterbauer aber auch die ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen. Auch diese Entwicklung sei schuld am Platzen der Finanzblasen gewesen, so der 46-jährige Wirtschaftswissenschaftler. Denn das Spielkapital sei deswegen sehr hoch, weil jene, die viel haben eher bereit seien, risikoreicher anzulegen.

Wer für die Krise bezahlt, ist für Marterbauer ziemlich klar: "Die Kosten tragen wir alle", so lautet bereits der Untertitel des im Deuticke-Verlag erschienenen Werks. Ganz besonders betroffen seien aber einmal mehr die sozial Schwachen. Denn die Folgen seien - auch in Österreich - hohe Arbeitslosigkeit, steigende Schwierigkeit, den Sozialstaat zu finanzieren und weitere Zunahme von wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit. Ganz unmittelbar sei ein Einbruch der Investitionen, Rückgang der Produktion, Rezession und als direkte Folge, Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit zu verzeichnen. Gerade letzteres sei besonders in Spanien oder im Krisenhotspot Griechenland ein enormes Problem, das dringend einer Lösung bedürfe, mahnt Marterbauer, mittlerweile Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer (AK). Auch woher das Geld dafür kommen soll, sei offensichtlich. Die Banken wurden mittlerweile mit 400 Milliarden Euro gestützt, da könne es nicht so schwierig sein, zehn Milliarden für die Jugend aufzustellen. Auch Österreich solle hier seinen Beitrag leisten.

Der langjährige Verfechter einer höheren Vermögensbesteuerung wünscht sich neben höheren Grundsteuern auch die Erbschaftssteuer zurück. Was den Sozialstaat betrifft, so plädiert er eher für einen Ausbau durch dessen Umbau, als für einen Abbau. Gerade hier gelte es, die Sparpotenziale zu heben, denn „nur ein effizienter Sozialstaat hat die Unterstützung der Bürger." Gerade in den Lebensphasen Jugend und Alter müsse der Sozialstaat gezielt unterstützen. Für notwendig erachtet er etwa einen Rechtsanspruch auf Heimhilfe im Alter.

Kaum Fortschritte bei Krisenbekämpfung

Entscheidende Fortschritte im Kampf gegen die Krise kann Marterbauer nicht ausmachen - bei der Regulierung der Finanzmärkte und Banken habe es bisher "ein paar Schritte" gegeben. Der Euro-Rettungsschirm sei ein "hilfreiches Instrument", mit dem kurzfristig die Macht der spekulativen Finanzmärkte gegenüber den Staaten eingedämmt werde. Mittelfristig seien aber mehrere Schritte notwendig, um eine Verringerung der Staatsschuld zu erreichen: Eine wirtschaftliche Erholung, ein "merklicher" Rückgang der Arbeitslosigkeit und eine "aktive Verteilungspolitik" betreffend der großen privaten Vermögensbestände. "Ohne eine Lösung von sozialen Problemen ist eine Lösung der Schuldenproblematik nicht möglich." (Regina Bruckner, derStandard.at, 14.11.2011)