Wien - Der Prozess um den zusammengeschlagenen Chefinspektor der Wiener Polizei ist auf Mitte Dezember vertagt worden. Es wird zumindest drei weitere Termine geben, ehe Richter Christian Böhm die Urteile verkünden wird: Den 12., 14. und 21. Dezember.

In der Verhandlung  am Montag sagte der Anwalt des 53-jährigen Polizisten, dass "das mit Sicherheit Folter im Sinn der Menschenrechtskonvention war. Er ist massivst verletzt worden". Anschließend wurde ausschließlich der 33-jährige Slowake vernommen, der im Auftrag einer russisch stämmigen Geschäftsfrau den infolge strafrechtlicher Verfehlungen in erster Instanz abgeurteilten und vom Dienst suspendierten Polizisten mit mehreren Mittätern verprügelt haben soll.

Angeklagter bestreitet

Der Angeklagte bekannte sich zur inkriminierten Körperverletzung schuldig. Der Beamte habe die Frau bedroht, sie habe den Beschuldigten um Schutz gebeten. "Das war angemessene Gewalt. Eine Frau ist unter psychischem Druck, da geschieht das so, wie das geschehen ist. Wenn Männer sich schlagen wollen, schlagen sie sich. Und das ist dann erledigt. Wir haben gedacht, wir schlagen einen unguten Polizisten zusammen."

Der Slowake bestritt, den Chefinspektor geknebelt und gefesselt zu haben. Man habe ihn auch nicht dazu gebracht, in Todesangst durch eine geschlossene Terrassentür zu springen. Der Beamte hatte erhebliche Verletzungen - darunter einen Bruch des Augenhöhlenbodens und eine Nasenbeinfraktur - erlitten.

Verteidiger: "Kein schutzwürdiges Interesse des Inspektors"

Die Verteidiger der beiden Angeklagten, Rudolf Mayer und Nikolaus Rast, verneinten "ein schutzwürdiges Interesse des Herrn Inspektor", wie Rast formulierte. Der Beamte war im vergangenen Februar wegen wiederholten Amtsmissbrauchs, Nötigung unter Ausnützung seiner Amtsstellung, Verletzung des Amtsgeheimnisses, Betrugs und versuchter Bestimmung zur falschen Zeugenaussage zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Er soll unter anderem seine "schützenden Hände" über eine Wiener Rotlicht-Größe gehalten haben. Falls sein Urteil in Rechtskraft erwächst - der Spitzenpolizist hat dagegen volle Berufung eingelegt -, wäre er seinen Job los. Bei mehr als einjährigen Freiheitsstrafen ist der Verlust der Amtsstellung als zwingende Rechtsfolge vorgesehen.

Der suspendierte Chefinspektor dürfte geglaubt haben, auf Kosten der vermeintlich wohlhabenden Russin Geschäfte machen zu können. Mit ihrem Ehemann hatte die Frau in einer Villa in Korneuburg gelebt, doch als dieser starb, stellte sich heraus, dass in Wahrheit kein Geld, sondern Schulden da waren. Die Frau borgte sich von mehreren Männern statthafte Beträge aus, verpfändete Schmuck und Pelzmäntel und gab die Pfandscheine als Sicherheiten her.

Darlehen

Der Polizist gewährte der Witwe zunächst ein Darlehen in Höhe von 17.000 Euro, weil sie ihm erklärte, das Geld zur Verlängerung eines pfandbesicherten Kredits zu benötigen. Der Beamte soll dafür allerdings 17 Prozent Zinsen verlangt haben. Bis zum Sommer übergab er ihr insgesamt weitere 8.000 Euro, wobei ihm die Witwe erzählte, sie würde einen Teil der Summe für die medizinische Versorgung ihres erkrankten Sohns benötigen.

Als dem Beamten zu Ohren kam, dass die Villa der Witwe zwecks Schuldenbegleichung verkauft wurde, soll er die Chance gewittert haben, an sein Geld und die angeblich vereinbarten "Wucherzinsen" zu kommen. Er soll die 51-Jährige bedrängt, ihr schließlich mit seinen kriminellen Freunden gedroht haben.

"Abreibung"

"Sie hat Angst gehabt vor diesem unguten Menschen. Sie hat mich gebeten, ob ich sie beschützen kann vor dieser Unterwelt", gab der angeklagte Slowake zu Protokoll, den die Witwe anheuerte, um - so die Verteidiger - dem Polizisten eine "Abreibung" zu verpassen.

Sie bat den Beamten, zu ihr nach Hause zu kommen, wo sie ihn laut Anklage in ihr Schlafzimmer geleitete. Als er auf der Bettkante Platz genommen hatte, betraten die teilweise mit Sturmhauben maskierten Männer den Raum und versetzten dem 53-Jährigen zahlreiche Faustschläge und Fußtritte. Dann wurde der Beamte laut Anklage aufs Bett gezerrt, wo er geknebelt und gefesselt werden sollte.

Flucht durch Terrassentür

Der 53-Jährige setzte sich heftig zur Wehr. Er musste sich schließlich laut Anklage hinknien, seine Taschen leeren und seine Armbanduhr hergeben. Danach richtete einer der Männer ein Sturmgewehr auf den völlig verängstigten Polizisten. Dieser war der Anklageschrift zufolge "davon überzeugt, dass sein Tod nun unmittelbar bevorstand". Er habe "als einzige Möglichkeit, um dieser Situation zu entkommen, die Flucht durch die geschlossene, zweifach verglaste Terrassentür" gesehen.

Dieser Sprung brachte dem 53-Jährigen aber nicht die erhoffte unmittelbare Rettung. Die Männer, von denen außer dem 33-jährigen Slowaken kein einziger ausgeforscht werden konnte, verfolgten ihn bis auf den Gehsteig und zerrten ihn zurück ins Haus.

Dem Polizisten kam schließlich ein Streifenwagen zu Hilfe: Nachbarn waren auf die Szenen aufmerksam geworden und hatten den Notruf verständigt. (APA)