"Gott allein lenkt": Verschleierte Frauen, die für Ägyptens radikale Salafisten auf die Straße gingen: "kreuz und quer" über die konfliktgeladene Situation im Land.

Foto: ORF/Regina Strassegger

Dokumentarfilmerin im ORF: Regina Strassegger.

Foto: ORF/Regina Strassegger

STANDARD: Beim Dreh zur Dokumentation "Gebete und Freiheit" in Kairo wurden Sie verhaftet. Was ist passiert?

Strassegger: Die Staatssicherheit nahm uns nach einem Interview mit dem katholischen Bischof die Kamera weg, und führte uns ab. Wir saßen in dunklen, engen, stinkenden Räumen. Mir ließen sie im Gegensatz zu meinem Team das Handy, so dass ich sofort den Botschafter informierte. Sieben Stunden später waren wir frei.

STANDARD: Die Inhaftierung erfolgte ohne Angabe von Gründen?

Strassegger: Uns wurde nur gesagt, unsere Verhaftung sei ein Auftrag der Staatssicherheit. Warum? Keine Ahnung.

STANDARD: Wie haben Sie Ägypten während des Drehs erlebt?

Strassegger: Ich war rund um den 21. Juli am Tahirplatz und erlebte die Aufbruchstimmung in den Zeltlagern. Am 29. Juli sah ich die Kehrseite der Freiheit, als Hunderttausende radikale Salafisten und Islamisten aufmarschierten. Mein koptischer Kameramann hatte Angst, mir war mulmig. Ich spürte, was es bedeutet, wenn Hass gegen dich gerichtet ist.

STANDARD: Beobachteten Sie weitere Verstöße gegen Pressefreiheit?

Strassegger: Sie sind alltäglich. Man gab mir keine Papiere. Ich reichte fünf Wochen vorher beim Pressezentrum ein, ich war sechs Mal dort und bekam immer wieder die Auskunft: "Wir können Ihre Dokumente nicht finden. Reichen Sie neu ein." Im Endeffekt bewegte ich mich ohne Drehgenehmigung und Akkreditierung durch die Stadt. Die Behörden verlangen mittlerweile horrendes Geld für spezielle Drehgenehmigungen. Nicht besonders fein. Alle Bilder sind unter ziemlichem Druck entstanden.

STANDARD: Bilden westliche Mainstreammedien die Realität ab?

Strassegger: Ein Beispiel: Als am 9. und am 10. Oktober bei einem Militärangriff 24 Kopten getötet wurden, gaben westliche Agenturen nur diese schrecklichen Bilder wieder, wo Soldaten zu Tode kamen. Man sieht, wie ein Soldat entkommt und vom Mob zu Tode geprügelt wird. Al Jazeera hingegen zeigte , wie die Panzer des Militärs Kopten zermalmte: Dieses Material gab es bei uns nicht.

STANDARD: Welchen Eindruck hatten Sie von der Muslimbruderschaft?

Strassegger: Die Kontaktaufnahme war ziemlich schwierig. Aber ich muss gestehen, dass ich nach dem Interview mit dem Vorsitzenden der Muslimbruderschaft, Essam Al-Erian, ziemlich beeindruckt war. Ich denke, es gibt bestimmt schlechtere Hände, in die das Land geraten könnte.

STANDARD: Neuerdings wird "kreuz und quer" von den "Euromillionen" eingeleitet. Der richtige Rahmen für Religionsprogramm?

Strassegger: Das ist eine Schädigung von "kreuz und quer", kostet im Schnitt zwischen zwei und drei Prozent Marktanteil und ist ein großes Ärgernis. Mich wundert es nicht, wenn Katholiken an das Neue Testament erinnern, wo Jesus sehr erzürnt ist über die Wucherer, Händler und sonstigen Gierigen und diese aus dem Tempel hinauswirft. Ich sage nicht, dass der ORF kein Geld verdienen soll, denn das brauchen wir alle. Wenn es aber so prekär ist, wie in diesem Zusammenhang, sollte man sich etwas überlegen.

STANDARD: Was tun?

Strassegger: Ich meine, man sollte schauen, ob es tatsächlich diese Platzierung sein muss. (Doris Priesching/DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2011)