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Die Entführung von Natascha Kampusch, die sich 2006 selbst befreite und ein Buch darüber schrieb, beschäftigt Justiz und Politik.

Foto: EPA/LASZLO BELICZAY HUNGARY OUT

Wien - Die Causa Kampusch sorgt innerhalb der Justiz und auf politischer Ebene weiter für Aufregung. Wie berichtet, wurde gegen fünf Staatsanwälte aus Wien und Graz, die mit dem Entführungsfall betraut waren, darunter der Wiener Oberstaatsanwalt Werner Pleischl, wegen Amtsmissbrauch ermittelt. Die Einvernahmen durch den Innsbrucker Richter Georg Putz, der unter anderem die beiden pensionierten Höchstrichter Ludwig Adamovich und Johann Rzeszut befragt hatte, sind längst vorbei.

Adamovich und Rzeszut haben Zweifel daran, dass der verstorbene Entführer Wolfgang Priklopil der einzige Entführer von Natascha Kampusch war. Rzeszut hatte die neuerlichen Ermittlungen durch einen alarmierenden Brief an alle Parlamentsklubs ausgelöst. Der Bericht dieser Ermittlungen liegt nun seit September im Justizministerium. Ob in ihm die Einstellung des Verfahrens nahelegt wird oder nicht, ist offiziell nicht bekannt. Das Justizministerium muss jedenfalls entscheiden, ob man dem so genannten Entscheidungsvorschlag aus dem Vorhabensbericht folgt. Darauf wartet alles seit zwei Monaten.

Ministerium in Schockstarre

Von einer "Schockstarre" im Justizministerium spricht man in Justizkreisen. "Wir können keinen Zeithorizont nennen" , sagt eine Ministeriumssprecherin dem Standard, "es ist in Bearbeitung" .

Der verdächtige Oberstaatsanwalt Pleischl kann sich nur die Einstellung des Verfahrens gegen ihn und seine Kollegen vorstellen: "Das ist doch nicht vorstellbar, dass da Beweise von uns unterdrückt wurden" , empört sich Pleischl im Standard-Gespräch, "warum sollten wir denn einen Kinderschänderring decken?!"

Pleischl, der sich gerade als Leiter der Generalprokuratur beworben hat, ist auch von der Einvernahme der einzigen Zeugin der Entführung nicht beeindruckt. Die heute 25-jährige soll nämlich - erstmals nicht nur der Polizei gegenüber, sondern vor dem Richter in Innsbruck - ihre Beobachtung von zwei Tätern bestätigt haben. "Das ist ja vollkommen egal, was sie sagt" , sagt dazu Pleischl, "sie hat subjektiv geglaubt, sie hat zwei Täter gesehen. Na und?"

Anfrage an Justizministerin

In den Parlamentsklubs regt sich hingegen schon jetzt Unmut, obwohl die Einstellung des Verfahrens noch gar nicht offiziell bestätigt wurde. "Wenn es wieder zu einer Gefälligkeitseinstellung kommt und Staatsanwälte geschützt werden" , sagt der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz, "dann muss ein Untersuchungsausschuss her, wo jeder dieser Herren unter Eid aussagen muss." Die Grünen bringen heute, Dienstag, eine Anfrage an Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) ein, in der es um die Rolle des ebenfalls beschuldigten Staatsanwaltes Hans-Peter Kronawetter geht. Die FPÖ wird den Fall Kampusch in der Aktuellen Stunde zum Thema machen. Sie ortet "Täterschutz statt Opferschutz" .

Die Stimmung im ÖVP-Klub ist ähnlich: Neben der Bereitschaft zu einem Untersuchungsauschuss, gerade dann, wenn die Justiz die Ermittlungen einstellen sollte, wird hier dem Vernehmen nach sogar über eine Gesetzesänderung diskutiert. Diese soll, nach US-amerikanischen Vorbild, die Einsetzung eines parlamentarischen Sonderermittlers ermöglichen, der mehr Befugnisse hätte als ein Untersuchungsausschuss. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD-Printausgabe, 15.11.2011)