Die Lega Nord forderte Neuwahlen.

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Trotz der dramatischen Schuldenkrise wollten Italiens Parteien nicht auf ihre gewohnt trickreichen Spielchen verzichten. So boykottierte die Lega Nord am Dienstag die Konsultationen mit dem designierten Regierungschef Mario Monti. Die Partei wechselt zur Freude ihrer Wähler in die Opposition und will demnächst das Parlament Padaniens in Mantua wiedereröffnen. Auch Antonio Di Pietros Oppositionspartei "Italien der Werte" schielt bereits auf die kommenden Wahlen und will sich nicht mit unpopulären Maßnahmen belasten. Silvio Berlusconis "Volk der Freiheit" (PDL) ist ungehalten über den "Putsch" gegen ihren Premier und verweist auf ihre absolute Mehrheit im Senat. Missliebige Maßnahmen werde die Partei nicht dulden.

Montis Wunsch, einige Vertreter beider Lager als Garanten für Stabilität ins Kabinett aufzunehmen, stieß bei den Parteien auf wenig Gegenliebe. Sollte Exministerpräsident Giuliano Amato ins Kabinett berufen werden, müsse auch Berlusconis Vertrauensmann Gianni Letta einen Ministerposten erhalten, forderte PDL-Chef Angelino Alfano.

Nur zwei Parteien unterstützen den Ökonomen bedingungslos: der Partito Democratico und die Zentrumsunion "Dritter Pol" . Für die Linksopposition, die in Umfragen klar führt, eine bittere Pille. Bei Neuwahlen wäre ihr der Sieg kaum zu nehmen gewesen. Der "Terzo Polo" um dem Exneofaschisten Gianfranco Fini und den Christdemokraten Pier Ferdinando Casini verfolgt eine andere Strategie: Beide wollen der zerstrittenen Mehrheitspartei das Wasser abgraben. Um dieser Entwicklung vorzubeugen, hat Berlusconi seinem Intimfeind Fini in einem versöhnlichen Anruf "Zusammenarbeit" angeboten.

Mindestens ein Dutzend süditalienischer Parlamentarier will das "Volk der Freiheit" demnächst dennoch verlassen, mit anderen wird verhandelt. Auch Berlusconis Ministern, die bereits auf gepackten Koffern sitzen, winkt keine rosige Zukunft. Giulio Tremonti hat sich um die Mitgliedschaft bei der Lega bemüht, wurde aber abgewiesen. Der Finanzminister gehört derzeit nicht zu Italiens populärsten Persönlichkeiten.

"In den Abgrund geführt"

Als Einziger kann Innenminister Roberto Maroni eine neue Beschäftigung vorweisen: Er wird nun Fraktionssprecher der Lega Nord in der Kammer. Im PDL werden indes offene Rechnungen beglichen: Kulturminister Giancarlo Galan beschuldigt Tremonti, "das Land in den Abgrund geführt" zu haben.

Mario Monti ließ sich vom nervösen Aktivismus der Parteien nicht anstecken. Er bestand ausdrücklich auf einer Amtszeit bis 2013 und erteilte Forderungen nach Neuwahlen im kommenden Jahr eine klare Abfuhr. Gewiss seien Opfer erforderlich, eine "Blut- und Tränenpolitik" werde es nicht geben, erklärte der Wirtschaftsprofessor aus Mailand.

Am Montag empfing der designierte Ministerpräsident Sozialpartner, Gemeinden und Regionen sowie Jugend- und Frauenvertreter. Am Abend wollte er Staatspräsident Giorgio Napolitano das Ergebnis seiner Gespräche mitteilen. Es gilt als sicher, dass er den Auftrag zur Regierungsbildung annimmt. Die Vertrauensabstimmungen über das Kabinett Monti in Abgeordnetenkammer und Senat könnten bereits am Donnerstag und Freitag stattfinden. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 16.11.2011)