Blind unterwegs: Eine sprechende Karte soll Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen Stadtpläne zugänglich machen.

Fotomontage: Lukas Friesenbichler

"Wir wollen kein Navigationssystem machen. Das gibt's ja schon", sagt Julia Neuschmid. Die Wissenschafterin arbeitet am Central European Institute of Technology (CEIT), das in Schwechat beheimatet ist. Sie arbeitet am Projekt "Accessible Map", das Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen den Zugang zu Kartenmaterial im Internet erleichtern soll.

Zum einen sollen für Anwender, die nicht gut sehen, aber nicht blind sind, etwa ältere oder farbenblinde Menschen, Onlinestadtpläne optisch entsprechend aufbereitet werden. Farbauswahl und Objektgröße müssen dabei optimiert werden.

Zum anderen arbeitet das CEIT mit seinen Partnern daran, das Kartenmaterial automatisiert in einen beschreibenden Text umzuwandeln, der dann per Sprachausgabe dem Anwender zu Gehör gebracht werden kann. "Karten und Stadtpläne im Internet sind ein Bereich, der für unsere Zielgruppe noch nicht zugänglich ist", so Neuschmid. Mit der automatisierten Aufbereitung sollen die Betroffenen kostengünstig und großflächig erreicht werden. Bereits das Vorgängerprojekt "AmauroMap" des CEIT widmete sich ähnlichen Zielsetzungen.

Im Gegensatz zu einem Navi, das Autofahrer von A nach B lotst, soll es eine "Accessible Map" so ermöglichen, dass auch ohne optische Wahrnehmung ein Bild der Stadt in den Köpfen der Benutzer entsteht. Die gesprochene Beschreibung der Karte wird dann darüber Aufschluss geben, wie eine Straße aussieht, wie lang, wie breit sie ist, welche Infrastruktur, Geschäfte, Parks es gibt. "Es geht darum, die Stadt besser zu verstehen", sagt Neuschmid. Blinde Menschen sollen sich mit der Anwendung etwa auf eine bevorstehende Reise vorbereiten oder sich während eines Weges durch die Stadt besser orientieren können.

Im ersten Schritt des seit April 2011 laufenden, vom Benefitprogramm des Verkehrsministerium geförderten Projekts werden die Anforderungen der Zielgruppe per Umfrage erhoben (siehe Link): Welche Hilfsmittel werden bereits verwendet? Wie oft bewegt man sich selbstständig durch die Stadt? Was sind relevante Orientierungspunkte? Wird ein Smartphone benutzt? Werden die Richtungsangaben "3 Uhr" oder "Winkel zwischen 55 und 100 Grad" verstanden? Die Einbindung der potenziellen Nutzer ist ein wesentlicher Teil des Projekts.

Am Ende des Projektlaufzeit in zwei Jahren soll ein erster Prototyp einer Anwendung stehen. Sowohl eine Desktopversion für den Computer zu Hause als auch eine mobile Version für Smartphones sind vorgesehen. Die frei verfügbare Geodatenbank Open Street Map und öffentliche Daten von Städten und Gemeinden bilden die Basisdaten, die in Textbrocken wie "rechts ein Park" oder "links ein Schuhgeschäft" übersetzt werden sollen.

Anwender sollen eingeben können, welche Karteninhalte wiedergegeben werden und welche nicht. Besonders bei Kreuzungen ergibt sich die Frage, wie mit den Richtungsangaben umgegangen werden soll. Ausgehend von der GPS-Position des Benutzers müssen die Abzweigungen sprachlich verständlich verortet werden.

Die Anwendung muss dann gegebenenfalls in der Lage sein, den Winkel, in dem eine Straße verläuft, mit einer Wendung wie "links nach hinten" übersetzen zu können. "Information müssen so ausgegeben werden, dass sie bestmöglich für den User verständlich sind", erklärt Neuschmid die Herausforderung. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.11.2011)