Vorbereitung zum Modeln in der Garderobe. Heute stehen griechische Göttinnen auf dem Programm.

Foto: An Yan

Viele Westler, die nach Kunming kommen, studieren auf die eine oder andere Weise Chinesisch. Viele haben dafür ein Stipendium bekommen. Stipendien gibt es einerseits von der chinesischen Botschaft oder von den Konfuzius Instituten. Auch die Uni Wien vergibt ein Joint Study-Stipendien. Um den Lebensunterhalt zu bestreiten, reicht dieses Geld aber oft nicht aus. Und so suchen viele Laowai eine Arbeit vor Ort.

Nicht-Chinesen brauchen formell ein Arbeitsvisum, um in China arbeiten zu dürfen. Das ist weiter kein Problem, denn sobald man eine Arbeit gefunden hat, erledigt der Arbeitgeber die Formalitäten und bezahlt auch oft die Gebühr. Doch die meisten Chefs machen sich nicht die Mühe, für ihre ausländischen Mitarbeiter das Visum zu ändern und die absolute Mehrheit arbeitet ohne formelle Arbeitserlaubnis. Die Auswahl der möglichen Jobs ist jedoch recht klein.

"This is an apple!"

Die typische Arbeit eines Chinesisch-Studenten ist Englischunterricht. Der Bedarf nach Englischunterricht steigt ständig, und jeder, der eine solche Arbeit sucht, findet auch eine Stelle. Dabei ist es unerheblich, wie gut man selbst Englisch kann: "Westliches Aussehen" genügt oft als Voraussetzung. In den letzten Jahren kommen allerdings immer mehr Westler nach Kunming, so dass die angesehenen Sprach-Institute mittlerweile Muttersprachler bevorzugen. Für eine Sprachstunde wird man als Ausländern mit zehn bis maximal 30 Euro entlohnt, während chinesische Englischlehrer etwa fünf Euro verdienen. Die Aufgaben reichen vom "Englischunterricht" für Dreijährige bis hin zu professionellen Vorbereitungskursen für offizielle Englischtests wie etwa TOEFL.

Doch wer glaubt, dass die erste Variante weniger anspruchsvoll ist, irrt sich gewaltig. Wie ich bei meinen ersten Arbeitserfahrungen herausfinden muss, ist ein Klassenzimmer voller chinesischer Kleinkinder unter Kontrolle zu halten, alles andere als einfach. Die einzige Anforderung von meinem Vorgesetzten ist: Kein Chinesisch, nur Englisch! Doch das ist leichter gesagt als getan. Die Kinder verstehen nicht nur - verständlicherweise - kein Wort Englisch, sondern werden alle als Einzelkinder nach Strich und Faden von ihren Eltern verzogen und haben anscheinend noch nie etwas anderes von Erwachsenen gehört als "Ach, bist du süß!" Die Anwesenheit eines Lehrers interessiert sie kaum. Dass die Eltern dauernd durch den Raum laufen und ihren Kindern Essen hinterhertragen oder sie zum hundertsten Mal fragen, ob sie wirklich nicht aufs Klo müssen, verbessert die Situation nicht gerade. Das Lernziel für die erste Unterrichtseinheit ist erreicht, sobald alle Kinder gemeinsam "This is an apple!" aufsagen. Die Lehrer strahlen, die Eltern sind glücklich. Ich hingegen beschließe: Das ist kein Job für mich.

Monkey Business

Eine gänzlich andere Arbeit, die sich vor allem für blonde und großgewachsenen Frauen anbietet, ist das Modeln. Chinesische Agenturen sind geradezu versessen auf blonde und/oder westliche Models und zahlen teilweise sehr hohe Summen für ihre Dienste. Wer bei einer guten Agentur landet, kann einige Hundert Euro für wenige Stunden Arbeit bekommen; ein Gehalt, das für chinesische Verhältnisse geradezu unverschämt ist. Besonders beliebt ist Posieren auf Messen und Galaabenden sowie Begrüßen von Gästen, Begleitung auf Geschäftsreisen oder Events. Oft werden aber auch Models für Werbeaufnahmen oder für Filmdrehs gesucht.

Viele Westlerinnen nennen diese Arbeit "Monkey Business", denn "man kommt sich vor wie ein Affe, der nur dafür da ist, fremdartig auszusehen und wie ein Tier im Zoo angegafft zu werden", fasst ein Model sarkastisch die Arbeit zusammen. Es ist also genauso wie das Modelbusiness in Europa, wo oft "exotisches Aussehen" gefragt ist. In China bedeutet die Anwesenheit von "Westlern" vor allem eine Imagesteigerung für den Veranstalter.

Mehr oder weniger professionell

Wenn die Agenten sehr dringend Models suchen, kann es auch passieren, dass sie in der Not jedes verfügbare Mädchen nehmen. So fand auch ich mich einmal inmitten einer Gruppe von mehr oder wenig professionellen Models wieder, die teilweise nicht einmal in ihren Schuhen laufen konnten. Doch die Agentin bestand darauf: je höhere die Absätze, desto besser. Das Resultat war interessant: Zwei Mädchen bekamen einen Schwächeanfall, ein Mädchen blieb mit den Absätzen im Teppich hängen und verstauchte sich den Knöchel. Die restlichen "Models" mussten unentwegt mit Tabletts um eine Sitzgruppe  laufen und irritierten Besuchern Essen aufdrängen. Ein weiterer Job, den ich von der Liste streichen kann. (An Yan, 16. November 2011, daStandard.at)