Meissner-Blau hängt an der Ökopartei. "Sentimental", fügt sie an. Nur sei die Partei "auffällig vorsichtig" geworden: "Ich bin radikaler. Ich hätte auch den Grünen mehr Radikalität gewünscht."

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Wien - Irgendwann hat es ihr gereicht: "Da habe ich gesagt: Die Zeit läuft ab, ich gehe anmelden." Im Herbst 1986 hatte Freda Meissner-Blau die Endlosdebatten über "Beistriche und Geschäftsordnungen" satt. Also meldete sie die "Grüne Alternative - Liste Freda Meissner-Blau" als Partei an. Obwohl die heute 84-Jährige nur zwei Jahre die Geschicke der Grünen lenkte, ist sie 25 Jahre nach dem Einzug ins Parlament tief im kollektiven Gedächtnis der Ökopartei verankert. "Ich werde immer noch dafür verantwortlich gemacht, was die Grünen so treiben", sagt sie im Gespräch mit dem Standard.

Meissner-Blau hat in ihrem Leben viel erlebt, und es waren prägende Erfahrungen. Geboren 1927 in Dresden, kurz darauf Übersiedelung nach Linz, später Wien. 1939 flüchtet ihr Vater, von den Nationalsozialisten als "Volksschädling" beschimpft, nach London. Die Familie bleibt zurück, zieht in die Heimat der Mutter, nach Nordböhmen. Später flüchtet die 17-Jährige vor der Sowjetarmee auf eigene Faust nach Dresden, überlebt die Bombardierung der Stadt. "Ich wurschtelte mich durch", sagt sie zum Überleben im Krieg. Vielleicht kommt daher der starke Wille und das Kämpfertum.

Nach dem Krieg heiratet Meissner-Blau, wird Mutter dreier Kinder, arbeitet in Afrika und Frankreich, dort etwa für das Social Science Departement der Unesco. In Paris trifft sie auch auf Paul Blau, der ihr zweiter Ehemann wird.

Nach ihrer Rückkehr nach Wien beginnt die überzeugte Umweltschützerin, sich gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf und schließlich in Hainburg zu engagieren. "In Hainburg hat der Aufbruch begonnen", sagt sie. Nach diesem Erfolg hätten viele, auch sie, aber empfunden, "dass wir nicht ein Leben lang mit dem Rucksack durchs Land ziehen können, dorthin, wo es einen Unfug gibt". Erste parteipolitische Versuche startet die bis dahin Rote 1986, als sie im Präsidentschaftswahlkampf gegen Kurt Waldheim (ÖVP) und Kurt Steyrer (SPÖ) antritt. Sie wollte nicht, dass der FPÖ-Rechts-außen-Kandidat Otto Scrinzi viele Stimmen bekommt. Im selben Jahr putscht sich Jörg Haider an die Spitze der FPÖ, Neuwahlen werden ausgerufen.

So schwierig die Parteigründung war, so schwierig ging es bei der Listenerstellung weiter. Irgendwann spielt der Körper nicht mehr mit: Als Meissner-Blau in Wien die Abstimmung verliert, bricht sie zusammen und muss infolge eines Herzinfarktes in die Klinik - aus dem Krankenhaus droht sie mit Rücktritt. Die Rechnung geht auf, der Einzug ins Parlament gelingt wenig später.

Auch dort herrscht ein rauer Wind. Ein einziges Zimmer wies man den acht neuen Parlamentariern zu. Österreichs erste Klubobfrau musste sich anfangs mit lapidaren Dingen herumschlagen: Sesseln besorgen, Platz erstreiten. Als eine Mischung aus "sehr viel Idealismus und einem guten Stück Naivität", beschreibt sie die Kindertage der Grünen im Hohen Haus. Was die Fraktion ihrer Meinung nach sein soll, hielt sie schon in ihrer Antrittsrede fest: "Wir sind eine radikale Gruppe; radikal deshalb, weil wir an die Wurzeln der Übel gehen wollen."

Dass sie im grünen Klub die einzige Frau war, empfindet die 84-Jährige "als größte Niederlage dieser Anfangszeit". Diese Konstellation hatte Folgen. Nach nur zwei Jahren verlässt die Grüne die Politik. Ob sie zermürbt war? Meissner-Blau weicht aus: "Ich hatte nie vor zu bleiben. Mein Ziel war es, die Tür eines versteinerten Parlaments aufzumachen."

Das sei auch der Verdienst der Grünen: "Die Atmosphäre hat sich geändert." Die Partei sei allerdings zu brav und "auffällig vorsichtig" geworden. Aber: "Man kann nicht beides sein, umrührerisch, revolutionär und gleichzeitig die Mühen der Ebene durchschreiten." Meissner-Blau bleibt sich treu: "Ich bin radikaler. Ich hätte auch den Grünen mehr Radikalität gewünscht." (Peter Mayr, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.11.2011)