Bild nicht mehr verfügbar.

Der Wiener Galerist Ernst Hilger verteidigt Gerald Matt.

APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER

Die unerträglichen, unqualifizierten und permanenten Angriffe, die auf Kunsthallen-Direktor Gerald Matt herunterprasseln, bringen sogar chronische Nichtleserbriefschreiber wie mich hinter dem Ofen hervor. Es ist peinlich, was die grüne Stadtpartei hier aufführt.

Causa 1 - das Hrdlicka-Interview: Der von mir bis zu seinem Tode vertretene Alfred Hrdlicka war die letzten beiden Jahre schwer krank und oft nicht mehr ansprechbar. Sein Interview-Fragment mit dem Leiter des Dommuseums war auf wenigen Seiten einfach zu wenig aussagekräftig. Gerald Matt bat mich daher, Hrdlicka eine Reihe weiterer, von ihm vorformulierter Fragen zur Ergänzung des Interviews vorzulegen und eine Beantwortung zu ermöglichen, was ich über mehrere Monate (Hrdlicka kam aus Krankheitsgründen kaum mehr in die Galerie) mit meiner Mitarbeiterin Frau Judt auch gerne tat, weil ich meinen Künstler gleichwertig zu den anderen Interviews in diesem Buch vertreten sehen wollte. Dass Herr Matt in dem Rahmen dann auf Nennung des Direktors des Dommuseums vergaß, ist ärgerlich und schlampig. Aber so etwas wird mit einem kleinen Zettel als Erratum und einer Entschuldigung im Verlagswesen erledigt, bestenfalls noch mit einem Überdruck, mehr aber nicht

Causa 2: Alle Museen und Ausstellungshallen versuchen, neue Geldquellen zu finden, werden durch die Teilrechtsfähigkeit dazu auch gezwungen. Dementsprechende Anfragen des Kunsthallendirektors, ob eine Verknüpfung von Sponsortätigkeit mit einer späteren Verleihung der Staatsbürgerschaft möglich wäre - es haben übrigens fast alle Museen in Wien mehr oder weniger diskret angefragt (siehe Zeitungsmeldungen der letzten Jahre ) - wurden in jedem Fall abgelehnt, also ist nix passiert, alles war korrekt. Der einzige von allen bekannten Anfragern, dem daraus ein Strick gedreht werden soll, ist Herr Matt - verwunderlich und seltsam, auf jeden Fall aber nicht korrekt vonseiten seiner Kritiker.

Im Übrigen sollten wir uns hier an z. B. an Kanada ein Beispiel nehmen, wo um solche Sponsoren geworben wird, und uns freuen, wenn auch kulturaffine Menschen unsere Staatsbürger werden wollen und unsere Institutionen fördern. Wo bleibt hier die Bereitschaft, Immigration zu fördern? Auch reiche Immigranten sind Immigranten.

Causa 3: Alle weiteren Vorwürfe wurden mit Belegen entkräftet. Also worum geht es? Um ein paar Möbel, die die das Büro schmücken? Die Vorwürfe, die ich den Zeitungen entnehme, sind kleinkariert und unwürdig - unwürdig in ihrer Hausmeistermentalität wie ihre Vertreter.

Diese Stadt braucht herausragende, unorthodoxe Ego-Persönlichkeiten wie Gerald Matt und andere im Kulturbetrieb. Sie sind uns nicht immer angenehm, aber lebenswichtig, um unsere Stadt international interessant zu halten, für Kulturtouristen und für die Wiener. Wir brauchen Selbstdarsteller mit hohem Werbewert und Durchsetzungsvermögen, die ihre Häuser sichtbar und interessant führen. Nur sie machen unsere Stadt aufregend und divers - und halten uns international im Fokus.

Mich stören diese Vorurteile, die nur von prinzipiell kunstaversen Personen kommen können. Und hier vermute ich massive Eigeninteressen und sage nur: Entweder gibt es konkrete Vorwürfe, die belegbar sind. Wenn es keine gibt, dann erwarte ich mir Rückgrat und Geradlinigkeit von unserem Kulturstadtrat. Dann lassen wir die Kunsthalle mit ihrem spannenden und autonomen Programm, gestaltet von einem kontrovers spannenden Direktor, weiter ein wichtiger Faktor in unserem Kunstbetrieb bleiben.

In der jetzigen Stimmung kann ich mich nur darüber ärgern, einmal für die Grünen kandidiert zu haben (bei Wirtschaftskammerwahlen), denn dieser qualitätsfeindliche Umgang mit Kunstbetreibern ist mir zutiefst unangenehm. Und ich kann nur sagen: Als Kunstfreund sollte man derzeit nicht Grün wählen, sonst haben wir demnächst überall Kunstlangeweile. Ich sehe mich in vielen Gesprächen mit meinen Kollegen/-innen und anderen Mitgliedern der Kunstszene bestärkt, diesen Brief zu schreiben.

Mit freundlichen Grüßen

Ernst Hilger im 40. Jahr seiner Galeristentätigkeit

(DER STANDARD-Printausgabe, 18.11.2011)