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Premier Mario Monti (Mitte) mit einem Teil seines Kabinetts. Die Hand im Hintergrund gehört übrigens nicht Silvio Berlusconi, der lieber heute als morgen zurück an die Macht will.

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In Rom und Turin kam es am Donnerstag im Zuge von Demonstrationen zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestierenden.

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Italiens neue Regierung soll das Land aus der Krise führen. Dabei will man vor allem die Finanzmärkte beruhigen. Denn das größte Problem für das Land sind die Staatsschulden. Sie sind mit rund 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hoch, ein Umstand, den die Anleger in Zeiten der Eurokrise als sehr risikobehaftet ansehen. Daher steigen die Zinsen auf italienische Staatspapiere, zuletzt betrugen sie um die sieben Prozent. Das ist eine Marke, die als Obergrenze für eine auf Dauer tragfähige Refinanzierung an den Kapitalmärkten gilt.

Italien muss sparen. Und das gegen den Widerstand der Italiener, auch der Jungen. Der neue Ministerpräsident Mario Monti soll dafür die Weichen stellen. Seine jüngst ernannte Expertenregierung will kommunale Versorger (teil-)privatisieren, im Verwaltungs- und Politapparat sparen, öffentliche Gebäude verkaufen, das Pensionsantrittsalter heben sowie Verbrauchs- und Immobiliensteuern erhöhen. So viel zum Nehmen. Geben will Monti den Menschen mehr Netto vom Brutto und den Jungen bessere Arbeitsbedingungen. In Bella Italia müssen 2,5 Millionen junge Arbeitnehmer schlecht bezahlte und befristete Jobs annehmen.

1100 Jahre Erfahrung für Italien

Per Saldo muss es aber heißen, mehr Sparen wie Ausgeben. Nun stellt sich die Frage, ob das der Regierung Monti überhaupt gelingen kann. Und es ist die Regierung selbst, die diese Pro- und Contra-Argumente vereinigt. Für die Regierung spricht sicherlich ihre Expertise, ihre Parteilosigkeit und das Alter ihrer Mitglieder. Mario Monti hat elf langjährige Spitzenbeamte, fünf Universitätsprofessoren und zwei Manager in sein 18-köpfiges Kabinett geholt. Auch wenn dem einen oder anderen eine Nähe zum Vatikan oder zur Industrie nachgesagt wird, sie sind, vor allem wenn man die Berlusconi-Ära kennt, für italienische Verhältnisse um Distanz zur Parteienlandschaft bemüht. Sollte ihre Regierung nicht lange halten, dann gehen sie eben zurück in ihr bisheriges Tätigkeitsfeld. Und die drei Damen und 15 Herren sind auf der Schwelle zur Pensionierung. Das Durchschnittsalter der Regierung Monti liegt bei 63 Jahren. In Österreich und Deutschland, wo man auf 50 bzw. 51 Jahre kommt, würden sich die Politiker zwei Mal überlegen, ob sie sich bei Beamtenapparat und Wählerschaft unbeliebt machen.

Wo sind die Jungen?

Soweit zum Positiven. Die Regierung verkörpert aber eben auch jenes Italien, das beim Zukleistern des Status Quo geholfen hat. Viele der neuen Minister kommen aus dem aufgeblähten Beamtenapparat, den nun ausgerechnet sie entschlacken sollen. Zudem ist es fraglich, ob es ihnen gelingt, sich des Rückhaltes der Jungen zu versichern. Diese sehen in Italien zunehmend keine Perspektive, Tausende arbeiten als Wissenschaftler oder Manager im Ausland. Die Zweifel der "Generation 1000 Euro" sind angebracht. Aus mehr als der Hälfte des Kabinetts lacht ihnen jener Verwaltungsapparat entgegen, der geschätzte 200.000 Praktikanten beschäftigt hat. So waren alleine 2010 und 2011 weltweit 1.800 bzw. 580 unbezahlte Jungakademiker befristet an italienischen Botschaften tätig, wie "L'espresso" berichtete. In Italien scheint ein Sebastian Kurz (25), der österreichische Staatssekretär für Integration, oder ein Philipp Rösler (38), der deutsche Wirtschaftsminister, undenkbar. Wenn aber "Super-Mario" schon keinen Menschen finden konnte, der jünger als 50 ist, so stimmen wenigstens die Worte eines ehemaligen Studenten von Monti an der Mailänder Universität Bocconi hoffnungsfroh: "Die europäische Finanzkrise gefährdet vor allem die Jugend. Die versteht das nur schwer. Nur er kann ihr das erklären und sie schützen", zeigt sich Paolo Rondo-Brovetto überzeugt, der heute in Klagenfurt als Universitätsprofessor arbeitet. Monti habe als Wissenschaftler und Rektor immer auf die jungen Leute gesetzt. Gesetzt hat er sie nur nicht ins Kabinett.

Nervenstärke ist gefragt

Die Wirtschaft hingegen ist voll des Lobes für Monti. "Er weiß, wie die Märkte funktionieren, er kennt sich mit Privatisierungen und Ausgabenkürzungen aus", gibt ihm Emma Marcegaglia, die Chefin des Industriellenverbandes Confindustria, Vorschlusslorbeeren. Die Industrie erhofft sich von der neuen Regierung vor allem, mit der angekündigten Arbeitsmarktreform die Lohnnebenkosten zu senken. In die steuerliche Begünstigung bei der Beteiligung von großen Infrastrukturprojekten setzt man auch große Hoffnung. 

Um seine Ziele zu erreichen, muss die Regierung aber auch Nervenstärke zeigen. Auszusitzen gilt es einen Silvio Berlusconi, der unverhohlen darauf hinzielt, als stimmenstarker Ringrichter das Monti-Kabinett anzuzählen und wieder die Macht zu übernehmen. Im Falle der traditionell starken Gewerkschaften muss man trotz gehörigen Streikpotenzials die Gunst der Stunde nutzen und klientelfreie Reformen durchführen. Und überzeugen muss man auch die Jungen, die in diesen Tagen zu Tausenden auf die Straßen gehen und Angst haben, dass für sie in Zukunft nichts mehr übrig bleibt. "Wir werden ein offenes Ohr für die Proteste der Studenten haben", versicherte die neue Sozialministerin Elsa Fornero. Ihr Wort in Montis Ohr. (sos, derStandard.at, 19.11.2011)