Die Punteregelung und ihre Sonderbestimmungen

Foto: derStandard.at/Hannes Biedermann

Die Kaderregelung der Erste Bank Eishockey Liga.

Foto: derStandard.at/Hannes Biedermann

Durch Jahrzehnte hinweg wurde die Personalpolitik österreichischer Eishockeyvereine über vom Verband erlassene Bestimmungen zur Beschränkung der pro Klub einsatzberechtigten Legionäre gelenkt. Mehr als eine Dekade nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, im zweiten Jahr nach der internationalen Öffnung der Erste Bank Eishockey Liga (EBEL), wurde 2007 ein gänzlich neues Instrument zur Regulierung des Transfermarkts etabliert. Das europaweit einzigartige, landläufig unter der Bezeichnung "Punkteregel" firmierende Steuerungsregulativ, dessen Entwicklungsverlauf jüngst hier skizziert wurde, ist seitdem integraler Bestandteil der grenzübergreifenden Liga in Mitteleuropa.

Im Kern sieht das System vor, jedem Spieler in der Liga einen in Relation zu Alter, Staatsbürgerschaft und Leistungspotential stehenden Punktewert zuzuschreiben und gleichzeitig eine Höchstgrenze für die Summe der so von einem Klub in einer Saison zum Einsatz gebrachten Zähler festzulegen. Was grundsätzlich simpel erscheint, wurde in den Spielzeiten seit der Einführung zu einem nicht immer einfach zu durchschauenden System an Detailbestimmungen, die sich noch dazu auch jährlich verändert haben. Als zentrales Problem in Sachen Nachvollziehbarkeit erwies sich auch die fehlende Transparenz, wurden und werden doch weder die festgelegten Punktewerte der einzelnen Spieler noch das jeweils beanspruchte Gesamtkontingent der Vereine veröffentlicht. Im Folgenden der Versuch, etwas Klarheit bezüglich der für die Spielzeit 2011/12 geltenden Bestimmungen zu schaffen.

Die Grundlagen

Das Regelungssystem des Transfermarkts in der Erste Bank Eishockey Liga besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: Der die Wertigkeit von Spielern bestimmende Punkteregelung und der die Handlungsspielräume der Vereine eingrenzenden Kaderregelung. Grundsätzlich wird jedem Spieler ein Punktewert zwischen 0 und 4 (mit halben Punkten als Zwischenschritten) zugewiesen und die Gesamtpunktezahl der von einem Klub eingesetzten Spieler darf 60 Zähler nicht überschreiten.

Die Punkteregelung

Der individuelle Punktewert eines Spielers ergibt sich, sofern er nicht durch Sonderbestimmungen im Regulativ festgelegt wird, aus der Bewertung durch die Vereine der EBEL. Für die laufende Saison etwa wies im November des Vorjahres jeder Klub jedem Crack (also auch seinen eigenen) einen sein Leistungspotential abbildenden Wert zwischen 0 und 4 zu. Nach Streichung der höchsten und der niedrigsten Beurteilung wurde das arithmetische Mittel aus den verbleibenden Einschätzungen gebildet und auf halbe Punkte gerundet, um den individuellen Punktewert jedes Spielers zu errechnen.

Unabhängig von diesem Vorgang bestimmt das Regelwerk in einer Reihe von Sonderfällen die grundsätzliche Zuweisung von Punktewerten: So erhält jeder Transferkartenspieler ("Legionär") automatisch 4,0, jeder nationale Spieler der Jahrgänge 1988 und jünger (U24) 0,0 Punkte. Die Bezeichnung "nationaler Spieler" meint in der internationalen EBEL einen Crack, der über die Staatsbürgerschaft jenes Landes verfügt, in dem der Verein, bei dem er unter Vertrag steht, ansässig ist. Weitere Sonderregeln betreffen nationale Torhüter (1,5 Punkte wenn Jahrgang 1984 bis 1987, 2,0 wenn älter) und bis zu drei Transferkartenspieler pro Verein, die, wenn sie 1992 oder später geboren wurden (U20), einen Punktewert von 2,0 zugeschrieben bekommen.

Diese Reihe an Sonderbestimmungen führt dazu, dass die Bewertungen der Vereine nur bei nationalen (Feld-)Spielern der Jahrgänge 1987 und älter schlagend werden. Für jene Cracks, die zum Zeitpunkt der Beurteilung durch die Klubs noch nicht in der EBEL aktiv waren, hat die Ligaverwaltung einen den Karriereverlauf der Spieler berücksichtigenden Automatismus zur Berechnung und Zuweisung der jeweiligen Punktewerte entwickelt.
Übersichtlich zusammengefasst und tabellarisch aufbereitet findet sich die recht komplexe Punkteregelung in der Grafik links.

Die Kaderregelung

Die Durchführungsbestimmungen der Erste Bank Eishockey Liga legen fest, dass die Gesamtzahl der Punktewerte der von einem Klub gemeldeten Spieler 60,0 Zähler nicht überschreiten darf. Hierzu ist anzumerken, dass nationale Spieler der Jahrgänge 1988 und jünger - per Sonderregelung ohnehin mit 0,0 Punkten bewertet - zwar gemeldet werden müssen, die Kaderregelung jedoch nicht berühren, dementsprechend also auch nicht Teil der folgenden Ausführungen sind.

Vom Regulierungsmechanismus für die Zusammensetzungen von Mannschaften betroffen sind somit lediglich (alle in einer Saison gemeldeten) Transferkartenspieler und nationalen Spieler der Jahrgänge 1987 und älter, die hier zusammenfassend als "Kernkader" (siehe Grafik links) bezeichnet werden. Diesem dürfen maximal 22 Akteure angehören, wobei ihr kumulierter Punktewert 60,0 nicht überschreiten darf. Innerhalb dieser Grenzen kann sich jeder Klub in seinen personalpolitischen Entscheidungen frei bewegen.
Einschränkungen gibt es erst ab der Anmeldung eines 23. Spielers im "Kernkader" (Anm.: eine Zahl, die in der Praxis nicht erreicht wird, insofern "totes Recht") oder bei Überschreiten der Marke von 60,0 Punkten. Ab diesem Zeitpunkt sind einem Verein nur noch drei Transferaktivitäten erlaubt.

Zu beachten ist dabei, dass ein Verein zu keinem Zeitpunkt der Saison einen Kader gemeldet haben darf, dessen kollektiver Punktewert über 60,0 liegt (siehe Grafik links, "Aktiver Kader"). Überschreitet ein Klub diesen Wert, ist also nicht nur der erste Tauschvorgang (von den angesprochenen drei erlaubten) vollzogen, das betreffende Team muss auch adäquate Abmeldungen von Spielern vornehmen, um beim "Aktiven Kader" wieder unter die 60-Punkte-Grenze zu kommen.
Ergänzend sei an dieser Stelle - auch aus aktuellem Anlass - noch auf eine Sonderbestimmung bei den drei Tauschvorgängen nach Erreichen der Punktegrenze im "Kernkader" hingewiesen: Ersetzt ein Verein einen verletzten Spieler durch einen neuen Akteur, kann dieser Wechsel nach Wiedergenesung des Abgemeldeten rückgängig gemacht werden, ohne einen zusätzlichen Tauschvorgang zu beanspruchen.

Kompliziert und unübersichtlich

Die Komplexität dieser Bestimmungen stellt nicht nur viele Eishockeyinteressierte vor Fragen, auch einzelne Klubs scheinen damit überfordert. Aus der laufenden Spielzeit sind bereits zwei Fälle dokumentiert, bei denen Vereine Spieler unter der Annahme eines falschen Punktewerts anmeldeten und somit ihre Personalplanung gehörig durcheinander brachten. Jährliche Adaptierungen und eine kontinuierliche Verwässerung des Regulativs - so waren etwa bei der Einführung der "Punkteregel" 2007 nur U20-Spieler 0,0 Punkte wert, mittlerweile wurde dies auf die Altersgruppe U24 ausgeweitet - lassen das grundsätzlich gute und ein Mindestmaß an ligainterner Ausgeglichenheit ermöglichende Konzept in einem unverdient schlechten Licht dastehen.

Aktuelle Situation

Gegenwärtig haben ligaweit bisher fünf der elf Vereine die 60-Punkte-Marke in ihrem "Kernkader" überschritten, womit ihnen also für den Rest der Saison nur noch eine beschränkte Anzahl an Veränderungsmöglichkeiten in ihren Teams zur Verfügung steht. Zwei Klubs - ein österreichischer und ein ausländischer - machten bereits von ihrem zweiten Tauschvorgang Gebrauch, können ihre Mannschaftszusammenstellung also nur noch einmal adaptieren. Insgesamt stehen den sechs österreichischen Teams noch maximal 15 Neuanmeldungen in ihren "Kernkadern" - also von Transferkartenspielern oder nationalen Spielern, die 1987 oder früher geboren wurden - zu. Die größten Freiräume im Punktebudget weist aktuell wenig überraschend Liganeuling Orli Znojmo auf: Die Tschechen könnten noch sechs Transferkartenspieler verpflichten, ehe der erste Tauschvorgang schlagend werden würde,

Fallbeispiele

Zum besseren Verständnis des nicht unkomplizierten Kaderregulierungssystems in der Erste Bank Eishockey Liga im Folgenden einige konkrete Beispiele aus der laufenden Saison, die exemplarisch Kernbereiche der Bestimmungen abdecken.

  • Der Villacher SV gab am 18.10. die Verpflichtung von Mike Craig bekannt, nachdem man sich sechs Tage zuvor von Lynn Loyns getrennt hatte. Diese Transfers stellten keinen Tauschvorgang dar, da die Summe der Punktewerte aller vom VSV vor der Craig-Anmeldung angemeldeten Spieler unter 56,5 lag, der Ex-KAC-Crack (4,0 Punkte) den kollektiven Wert des "Kernkaders“ also nicht über 60,0 brachte.
  • Im Juni unterzeichnete der kanadische Verteidiger Geoff Waugh einen Ein-Jahres-Vertrag bei Medveščak Zagreb, belastete das Kontingent des Klubs also mit 4,0 Punkten. Mittlerweile hat er die kroatische Staatsbürgerschaft angenommen und verliert damit den Status als Transferkartenspieler, ihm wird als nationaler Spieler sein tatsächlich ermittelten Punktewert zugewiesen. Da Waugh zum Zeitpunkt der Bewertung durch die Vereine im November 2010 noch nicht in der EBEL aktiv war, wird sein neuer Punktewert über den von der Ligaverwaltung entwickelten Automatismus festgelegt.
  • In der Saisonvorbereitung stand der 1992 geborene kanadische Verteidiger Thomas Ward-Cardinal im Kader des HK Jesenice, bestand das Try-out jedoch nicht. Wäre er für die Slowenen in der EBEL aufgelaufen, hätte er das Punktekonto des Klubs als U20-Transferkartenspieler mit nur 2,0 statt 4,0 Punkten belastet.
  • Die heuer erfolgte Anhebung der Null-Punkte-Grenze von U22- auf U24-Spieler (Jahrgang 1988 und jünger) bedeutet beispielsweise, dass gleich 18 der 24 in den ersten Teamkader von Teamchef Viveiros einberufenen Spieler unter die entsprechende Sonderbestimmung fallen und - obwohl Nationalspieler - das Punktebudget ihres jeweiligen EBEL-Vereins nicht belasten (würden).
  • Als Medveščak seinen zu Saisonbeginn verletzten Stammgoalie Robert Kristan (slowenischer Staatsbürger, für Zagreb also ein Transferkartenspieler und daher mit 4,0 Punkten bewertet) nach dessen Wiedergenesung anmelden wollte, hätte der "Aktive Kader“ der Kroaten unzulässiger Weise die 60-Punkte-Marke übertroffen. Dementsprechend musste zunächst ausreichend Spielraum im Punktekontingent geschaffen werden, der rekonvaleszente Robby Sandrock wurde (vorübergehend) abgemeldet. Will man Sandrock (4,0 Punkte) wieder einsetzen, muss der „Aktive Kader“ zuvor erneut auf 56,0 Punkte reduziert werden. Einen Tauschvorgang würde dies nicht kosten, da der Spieler zuvor bereits im „Kernkader“ stand.

Zukunft der "Punkteregel"

Wie die angeführten Beispiele aus der Praxis zeigen, ist die aktuelle Regelung eine vielfach knifflige und teilweise schwer durchschaubare. Vereinfachungen wären hier wünschenswert, wenngleich sie in einer Liga mit elf Vereinen aus fünf Nationen nur schwer umsetzbar erscheinen. Die intransparente Konzeption "Punkteregel“ wird damit wohl weiterhin das Ziel massiver Kritik sein, gleichzeitig aber auch die beste, weil noch am ehesten Ausgeglichenheit zwischen den Klubs garantierende Regulierungsvariante des Transfermarkts in der EBEL bleiben. In den sportlichen Führungen der Mehrheit der Vereine besteht die Tendenz zur Beibehaltung der Bestimmungen über die laufende Saison hinaus. Endgültig befinden wird darüber jedoch - voraussichtlich im Dezember - die Konferenz der Klubpräsidenten. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 18.November 2011)