Bodo Hell und Linda Wolfsgruber, "immergrün. Sudarium/Calendarium". € 24,90 / 96 Seiten. Folio, Wien 2011

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Was war zuerst da, Bodo Hells poetischer Text oder Linda Wolfsgrubers poetische Zeichnungen? Ei oder Henne, Wort oder Strich, Landschaftsporträt oder Aquarell, Sudarium oder Calendarium? Auf jeden Fall ist jetzt ein Ganzjahresbuch da, ein kalendarisches Ganzjahreskunstwerk in Buchgestalt, das unter jeden hiesigen Nadel- oder Laubbaum gelegt gehört, vornehmlich zur Weihnachtszeit.

Bodo Hell ist Österreichs Literat mit der besten Kenntnis des Dachsteins (er lebt sommers als "Halter" auf der Grafenbergalm), verliebter Sprachliebhaber, hoch bewusster Sprachartist. Doch Zirzensisches ist kein Selbstzweck; und bei ihm auch keineswegs unzugänglich oder unverständlich. Sondern stets sinnlich, an allen Sinnen orientiert und voller Witz. Da kommt das Kasmandl ebenso vor wie Meisterwurzansatz und Erentrudissegen. Das Maultrommelpferd und die Venus-Litanei, der Gallusbär und die Thomasnacht (20. auf 21. Dezember). Der Brauch des Hütlhebens. Aber auch Rigoletto. Der Vertigo. Und eine Morgen-Variationskette von übermorgen über Morgenland via Morgenthau und Morgenweide bis zu Mörser.

Linda Wolfsgrubers Zeichnungen sind hoch originell und zart, anspielungsreich, überraschend und Augen bezaubernd. Dieses famose Bilderzeichendenkwerk führt ganz handgreiflich vor Augen, was die Bildschirme eines elektronischen Buchs oder eines Tablets nie und nimmer schaffen und erreichen können: das Immergrüne Schöne Buch. Zum Staunen, Anfassen, Spüren. Und das zwölf Monate lang. (Alexander Kluy  / DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.11.2011)