Gespräche sind sein Metier: Georg Stefan Troller, hier in der ungewohnten Rolle des Interviewten.

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 Eine Würdigung anlässlich seines 90. Geburtstags.

Wien - Dokumentarisches Porträtmalen ist eine Gratwanderung für Schwindelfreie. Was für die Balance auf jeden Fall dazugehört: das Vermögen, Intimität herzustellen, ohne das Gegenüber über Gebühr zu bedrängen; Fragen zu stellen, die Überraschungen provozieren, ein Sprechen mithin, das seine Gedanken erst selbst entdecken muss. Der Experte beschreibt es kämpferischer, ähnlich den Tugenden eines Boxkampfs: "Es findet hier ein Wettkampf oder Wettbewerb statt, unter dem Deckmantel eines vorgetäuschten Spiels. Ein möglicherweise aufregendes, vielleicht auch gefährliches Spiel, ein Spiel am Abgrund manchmal."

Die Rede ist von Georg Stefan Troller, dem Meister des persönlichen Interviews, der mit den Porträtsendungen Pariser Journal und Personenbeschreibungen deutsche Fernsehgeschichte geschrieben hat. Mit Pariser Journal lieferte er in den 1960er-Jahren aus seiner Wahlheimat an der Seine die notwendige Dosis Weltläufigkeit ins Wohnzimmer. Personenbeschreibungen setzt dieses Prinzip noch kosmopolitischer fort. Mit Vorliebe ging es Troller dabei um Menschen, die sich ein Abenteurertum bewahrt haben, ihren Traum tatsächlich lebten. Oft trugen sie sehr prominente Namen, aber nicht immer.

Ron Kovic zum Beispiel, Vietnam-Veteran im Rollstuhl und politischer Aktivist, wurde erst durch Oliver Stones Film Born on the 4th of July (1989) weltberühmt. Troller besuchte ihn bereits 1977. Im hippiesken Venice Beach entblößt sich Kovic vor laufender Kamera und nimmt ein Bad. Er kämpft um seine Überzeugungen und versucht etwa auf der Straße, Marines ihr falsches Bild der Army auszutreiben. Solch aufmerksamen Reportagebilder sind im Fernsehen selten geworden.

Kunst der Zwischentöne

Doch auch vergleichsweise zurückhaltende, introvertierte Geister wie Peter Handke vermochte Troller mühelos in lakonisch-philosophische Gespräche zu verwickeln - zwischen Einstellungen, in denen sich der Dichter mit einer Säge an einem Baum betätigt. Einer, der Troller am meisten beeindruckt hat, war der Schriftsteller Satprem (Bernard Enginger): ein Überlebender, der sich, nach dem Konzentrationslager seelisch völlig zerrüttet, neu erfunden hat, bis er im Aschram von Mirra Alfassa, genannt Mutter, Ruhe fand.

Dass Troller sich gerade zu solch bewegten Biografien hingezogen fühlte, liegt natürlich an seiner eigenen. 1921 in Wien als Sohn einer bürgerlich-jüdischen Kaufmannsfamilie geboren, erlebte er schon als Kind die Niedertracht einer Gesellschaft, die Differenzen offen auszuleben pflegte. In seiner Autobiografie Selbstbeschreibung erzählt Troller plastisch und dabei immer humorvoll von seiner Jugend in Österreich, von wo er 1938 in die USA floh, um schließlich als Soldat auf den alten Kontinent zurückzukehren.

Für Axel Cortis berühmte Filmtrilogie Wohin und zurück schuf Troller sein Alter Ego Ferry Tobler, das eine ähnliche Fluchtgeschichte durchlebt. Es gehört zur Hartnäckigkeit dieses Autors, seine Rollen selbst bestimmt und bequeme Etikette abgelehnt zu haben: "Wer waren wir also? Exilanten? Ich finde es ergreifend, wenn heute so viel von unserem 'Exil' die Rede ist", schreibt Troller: "Das alles gab es praktisch gar nicht. Eine viel zu hochgestochene Vokabel für einen Rausschmiss".   (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.11.2011)