Raiffeisen- Generalanwalt Christian Konrad und der grüne Abgeordnete Werner Kogler wurden auch an diesem Tag keine Freunde. Der Schlagabtausch war heftig und herzlich.

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"Würde Raiffeisen so geführt werden, wie derzeit Politik gemacht wird, wären wir vom Markt verschwunden."

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"Sie tun ja so, als ob Sie die bessere grüne Veranstaltung wären."

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Standard: Herr Konrad, haben Sie schon je einen Gedanken daran verschwendet, Grün zu wählen?

Konrad: Nein, habe ich nicht. Meine Heimat ist die Volkspartei, und ich habe alles getan, um grüne Themen dort anzusprechen und bei Raiffeisen auch umzusetzen. Energie und Klimaschutz sind ganz wichtige Themen, ebenso wie Integration.

Standard: Da gäbe es Anknüpfungspunkte zu den Grünen.

Konrad: Nur theoretisch. Meine Töchter hatten eine Zeit als Studentinnen, da haben mir beide erklärt, "Du, Papa, deine Freunde in der ÖVP wählen wir nicht, wir wählen Grün." Ja, dann gab es einmal die Heide Schmidt, das hat ihnen auch gefallen. Ich habe ihnen gesagt: "Kinder, wenn ihr eure Stimmen verschwenden wollt, dann tut es. Ihr seid erwachsen. Ihr geht zwar in die Wahlzelle, aber bewegen tut ihr nichts."

Kogler: Mit Heide Schmidt?

Konrad: Nein, mit den Grünen. Oder? Was habt ihr schon bewegt?

Kogler: Die Welt würde anders ausschauen, wenn es uns nicht geben würde.

Konrad: Ja, wunderbar. Die Frage ist: Wie anders?

Standard: Haben Raiffeisen und die Grünen etwas gemeinsam?

Konrad: Die Farbe. Raiffeisen war immer grün. Und der Konrad ist schon weiß Gott wie lang ein Jäger, auch ein Grüner. Grün hab ich grundsätzlich in der Politik zwar nicht gebraucht, aber ich bin Demokrat und sehr für ein breites Spektrum an politischen Meinungen.

Kogler: Sie tun ja so, als ob Sie die bessere grüne Veranstaltung wären.

Konrad: Wir haben kein Konkurrenzdenken mit Ihrer Partei, sicher nicht.

Standard: Ganz allgemein: Wäre Ihnen Schwarz-Grün tendenziell lieber als Schwarz-Blau?

Konrad: Da brauchen wir nicht reden, da ist mir Grün jedenfalls lieber. Aber die Frage stellt sich nicht: Zählen Sie einmal zusammen.

Standard: Also auf ewig die große Koalition?

Konrad: Bewegen muss sich etwas. Die große Koalition entspricht dem österreichischen Wesen, und die großen Blöcke sollen sich zusammenreden. Aber wir erleben halt, dass sich nicht wirklich viele Dinge bewegen.

Standard: Geht zu wenig weiter?

Konrad: Nicht zu wenig. Viel zu wenig. Würde Raiffeisen so geführt werden, wie derzeit Politik gemacht wird, wären wir vom Markt verschwunden. Die Wirtschaft in diesem Land hat die Krisenjahre 2008 und 2009 dazu genutzt, um zu reorganisieren, vieles infrage zu stellen und anders zu machen. Die Politik ist leider noch nicht so weit, egal, ob das die Verwaltung ist, das Schulthema oder die Gesundheitspolitik. Da gibt es viel zu tun. Würde Raiffeisen so starr in den hergebrachten Strukturen verhaftet sein, wären wir längst untergegangen.

Standard: Offenbar muss sich die Politik ein Beispiel an Raiffeisen nehmen, stimmt das?

Kogler: Da muss ich die Regierenden in Schutz nehmen. Die Vergleiche von Firmen mit dem, wie eine Koalition aus zwei Parteien aufgestellt ist, hinken sehr.

Standard: Ausgerechnet Sie nehmen die große Koalition in Schutz?

Kogler: Es geht nicht um den Schutz der großen Koalition, es geht um die Treffsicherheit von Vergleichen.

Konrad: Ich habe mich vorher umgehört. Alle haben mir gesagt, der Abgeordnete Kogler ist in vielen Fällen mit uns einer Meinung, was Europa betrifft, was viele Fragen der Wirtschaft betrifft. Bei anderen Themen ist er anderer Meinung. Aber das ist halt die Welt, wir sind Demokraten.

Kogler: Demokraten? Das ist schon interessant. Walter Rothensteiner, der Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank, wollte im Jahr 2006 das Parlament klagen, weil es einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen rund um die Finanzmarktaufsicht und die staatliche Kontrolle über das Bankwesen eingerichtet hat. Können Sie sich erinnern?

Konrad: Wenn, dann hat er das sicher nicht als Raiffeisen-Mann getan, das war ein Aufschrei als Spartenobmann für die Finanzwirtschaft in der Bundeswirtschaftskammer gegen die rufschädigenden Aussagen einiger Abgeordneter - und er hat selbstverständlich nicht geklagt. Aber zum Thema Demokratie, ich darf Ihnen da helfen: Raiffeisen ist eine dezentrale Organisation. Wir haben in Österreich 530 selbstständige Raiffeisenkassen, hundert Lagerhäuser, Molkereien und, und, und. Die allermeisten von diesen Genossenschaften haben ein Kopfstimmrecht. Ich bin zum Beispiel gewählter Funktionär. Wenn das nicht Demokratie ist, was dann?

Kogler: Zu uns kommen Leute von Raiffeisenbanken an der Basis, die meinen, das Prinzip sei in der realen Welt umgekehrt. Die sammeln das Geld zwar ein, das wandert dann aber nach oben und wird woanders investiert. Es würde den Regionen entzogen werden.

Konrad: Es wird in einer Demokratie immer ein paar geben, die völlig anderer Meinung sind. Aber Raiffeisen hätte nicht seine Geschichte aufzuweisen, hätten wir nicht den Konsens unserer Mitglieder, unserer verantwortlichen Führungskräfte und damit auch weiter Teile der Gesellschaft. Wir sind kein Verlies, wir sind ein freiwilliger Verbund. Raiffeisen ist eben kein Konzern.

Kogler: Wenn es um das Eigenkapital geht, ist Raiffeisen aber plötzlich schon ein Konzern.

Konrad: Herr Kogler, ich glaub, Sie wissen nicht, wovon Sie reden.

Kogler: Von den neuen Eigenkapitalregeln, die die EU vorschreibt, und von den Schwierigkeiten, die sich für Raiffeisen daraus ergeben.

Konrad: Wir haben Dank der EU-Gremien neue Kapitalvorschriften erhalten, wir müssen neun Prozent vom Kernkapital als Risikoabdeckung zurücklegen. Brauchen tun wir das nicht. Wir sind jederzeit in der Lage, die Risiken, die wir aus unserem Geschäft haben, abzudecken.

Kogler: Wenn die europäischen Gipfelbeschlüsse in österreichisches Recht gegossen werden, werden Sie aber Hilfe brauchen.

Konrad: Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um diese Vorgaben zu erfüllen. Allenfalls auch um den Preis, dass wir unser Geschäft zurückfahren. Das hab ich aber vorher gesagt. Bevor ich eine staatliche Hilfe in Anspruch nehme, fahr ich lieber das Geschäft zurück, da wird die Bezugsgröße kleiner. So einfach ist es.

Kogler: Wie soll man das bewerten: Da gab es 2006 Geldwäschevorwürfe gegen Raiffeisen, ob wahr oder falsch. Diejenigen, die in der Finanzmarktaufsicht für die Prüfung zuständig waren, wechseln relativ rasch aus ihrem Job - raten Sie, wo die gelandet sind. Da gibt es mehrere Beispiele, wo Mitarbeiter aus der Finanzmarktaufsicht zu Raiffeisen wechseln.

Konrad: Na entschuldige! Dass Beamte Job wechseln - wo ist da das Problem?

Kogler: Da müssen Sie aber schon Unvereinbarkeiten erkennen.

Konrad: Also ich hab niemanden aus der Finanzmarktaufsicht abgeworben, sicher nicht.

Kogler: Das ist das Problem: Wie alles verschwimmt auch das in der Republik, und da schwimmen Sie mit wie ein Fisch im Wasser.

Konrad: Herr Kogler, ich tu mir wirklich schwer mit Ihnen. Ich würde gerne über die Lösung anstehender Probleme reden ...

Kogler: Eine Lösung wäre es doch, wenn es transparenter zugehen würde. Dann würde auch mehr Vertrauen entstehen. Das schadet ja alles dem Finanzplatz.

Konrad: Wir schaden dem Finanzplatz? Herr Kogler! Wir sind die letzte große Gruppe, die österreichisch dominiert ist. Wir sind die allerletzten! Transparenz am Finanzplatz? Wenn der Konrad was macht, können Sie hingehen und ihn fragen. Was machen Sie bei der Bawag? Bei der UniCredit? Da müssen Sie nach Mailand fahren!

Kogler: Aber die Finanzmarktaufsicht für die österreichischen Institute gilt ja noch, oder?

Konrad: Die Grenzen sind klar. Es gibt Gesetze, das Gewissen und zehn Gebote.

Kogler: Was sagen die zehn Gebote denn zu Parteispenden?

Konrad: Die kommen dort nicht vor. Aber ich bin sehr dafür, dass die Parteispenden sehr transparent sind. Jeder soll wissen, wer was kriegt.

Kogler: Ich hab ja den Verdacht, dass man mit Ihnen zwar ganz gut reden kann, dass diese Transparenz aber nicht gelebt wird. Wissen Sie, wie viel aus dem Raiffeisen-Bereich in den letzten zehn Jahren an die ÖVP geflossen ist?

Konrad: Wir sind hunderte selbstständige Unternehmen, ich kann das gar nicht wissen, wer wo was tut und wer mit wem was redet. Kann ich gar nicht wissen! Will ich auch gar nicht wissen!

Standard: Herr Kogler, würden Sie sich vom Raiffeisen-General zum Sauschädelessen einladen lassen?

Kogler: Ich glaub nicht, dass er mich einladen würde. Aber wenn es unter der Anfütterungsgrenze ist, warum nicht. Ich habe den Verdacht, dass ich dort viele treffen würde, die nicht hingehen sollten, weil sie etwa Funktionen in der Finanzmarktaufsicht oder dem Finanzministerium haben. Die müsste man schon fragen, ob sie sich anfüttern haben lassen.

Konrad: Erstens ist es unsere Entscheidung, wen wir einladen, zweitens muss ich Ihnen sagen: Dort gibt es Sauschädeln. Und vieles vom Schwein. Und Salat. Es muss in diesem Land doch möglich sein, miteinander zu reden, ohne dass einem Korruption unterstellt wird. Wenn Sie mit einem Seidel Bier und einem gekochten Schweinsohr anzufüttern sind, dann sind Sie selber schuld.

Kogler: Es ist ja nicht das Problem, dass man die Leute zusammenholt. Aber es wäre wichtig, dass es eine Spur mehr Transparenz gibt.

Konrad: Ich bin sehr für Transparenz. Bis zu dem Punkt, wo es sich um Bankgeschäfte handelt. Aber bei Parteispenden: gerne! Aber ich entscheid das nicht. Ihr seids die Abgeordneten.

Kogler: Da sitzen eh ein paar dabei, die ihr Brot bei Raiffeisen verdienen.

Konrad: Wir haben zehntausend Mitarbeiter, die haben ja kein Berufsverbot. Es kann ja nicht jeder nur Angestellter einer Partei sein.

Kogler: Es geht ja darum, dass die Leute wissen, wer wo sein Geld verdient.

Konrad: Einverstanden, machts das. Machts euch das aus. Aber in Wahrheit haben wir jetzt in Europa und in Österreich ein ganz anderes Thema, dass wir nicht nur sparen müssen, dass wir auch ...

Kogler: ... investieren müssen ...

Konrad: Wir müssen schauen, dass sich die Wirtschaft weiterbewegt, sonst stagnieren wir die nächsten 15 Jahre. Das ist das Thema. Einverstanden? Gemma, gemma, an die Arbeit! Hören wir auf zu diskutieren, arbeiten wir etwas. (Michael Völker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.11.2011)