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Rudolf Taschner.

Foto: APA/Artinger

Richard Lugner kommt in den Medien ziemlich häufig vor, aber Rudolf Taschner holt auf. Kaum eine Zeitung, in der er - anfangs - seinen Landsleuten nicht Mathematikunterricht erteilte. Vielleicht weil ihm das nach einer Weile als hoffnungsloses Unterfangen zu dämmern begann, stieg er auf Gerechtigkeit um. Heute darf er als der Gerechtigkeitsexperte der Nation gelten, weit vor jedem Politiker und sogar vor dem Baumeister. Es konnte gar nicht ausbleiben, dass er in dieser Rolle die Aufmerksamkeit der erlesensten Gerechtigkeitsfanatiker dieses Landes auf sich zog. In "News" trat er diese Woche in Kooperation mit Raiffeisengruppe Niederösterreich-Wien an. Das Thema: Gerechtigkeit ist eine Tugend, die heute von Institutionen einzufordern ist.

Konsumenten der Kooperation, die sich nach dieser Ankündigung möglicherweise erhofft hatten, Professor Taschner würde auf den folgenden fünf Textspalten von der Institution Raiffeisengruppe Niederösterreich-Wien tollkühn die Tugend der Gerechtigkeit fordern, sahen sich enttäuscht. Rückwärtsgewandt war er kühner. Gerechtigkeit ist eine Tugend. Früher war sie die Tugend eines Herrschers. Der Herrscher musste gerecht sein. Das musste er natürlich nicht. Caligula, Iwan der Schreckliche oder Ludwig XIV., um nur einige maßvolle Beispiele zu nennen, hätten über eine solche Zumutung nur gelacht, und "der Dank des Hauses Habsburg" ist sprichwörtlich geworden. Aber das war einmal. Da es heute keine Herrscher gibt - eine peinliche Unterschätzung Erwin Prölls -, ist heute Gerechtigkeit höchstens noch von Institutionen einzufordern. Nur hat sich das merkwürdigerweise mit der Abschaffung der Herrscher auf einen Schlag erübrigt, denn man findet Gerechtigkeit weder in der Natur noch in der Wirtschaft. Was sich dort nicht finden lässt, lässt sich auch nicht einfordern. Schuld daran ist übrigens der Mensch. Menschen sind nicht gleich geboren und haben auch nicht die gleichen Voraussetzungen, aber selbst wenn es anders wäre, hülfe es ihnen nichts, denn: Auch der Markt funktioniert wie die Natur.

Das hört man öfter. Doch die Raiffeisengruppe Niederösterreich-Wien, mit der Professor Taschner diese Plauderei abhielt, wollte nicht ohne weiteres auf Tugend verzichten. Schafft das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage keine Gerechtigkeit? Der ethischen Hartnäckigkeit der Raiffeisengruppe setzte Taschner Skepsis entgegen. Im Idealzustand schaffen wir vielleicht ein bestimmtes Maß an Ausgleich, doch ohne Regeln funktioniert das nicht. Mit Regeln auch nicht. Was nützen zudem nationale Regeln, wenn der Markt international agiert? Wie die Natur eben. Das Geld ist schneller um die Welt gejagt, als Regeln geschaffen sind.

In dieser Situation nur kein Tunnelblick. So einen Tunnelblick sehe ich immer wieder bei jenen Leuten, die sagen wir brauchen mehr Europa. Aus meiner Sicht haben kleinere Einheiten zahlreiche Vorteile. Beweis: Die großen persischen Schiffe verloren in der Seeschlacht von Salamis 480 v. Chr. ebenfalls gegen die schnellen kleineren Schiffe der Griechen. Zwar führen die kleineren nationalen Schiffe Europas 2011 n. Chr. keine Schlacht gegen das große Europas, sondern alle sitzen in einem Boot, aber die Trefflichkeit des Vergleichs entschädigt für die kleine Unschärfe.

Eine Patentlösung habe ich auch nicht, muss Professor Taschner beichten, aber Pessimist ist er nicht. Sehen Sie eine Lösung für die weltweite Staatsschuldenkrise? sucht die Raiffeisengruppe bei ihm Hoffnung, und er sieht sie mit einmaliger Klarheit. Ich gehe davon aus, dass diese enormen Schulden irgendwann weginflationiert werden. Ich sehe hier gar keine andere Chance. Aber das wird uns nicht umbringen. Was bliebe Österreich erspart, hätte er das der Regierung mitgeteilt, ehe sie die Schuldenbremse zog!

Aber mit noch so viel ökonomischem Optimismus ist ein Lugner nicht abzuschütteln. Er trumpfte diesmal in "News" mit der Angst vor dem Sterben auf, und unglaublich, aber dennoch gemeldet: Selbst der unkaputtbare Baumeister macht sich Gedanken über den Tod. Was so aussieht: Er spricht über seine Mediensucht, das Alter und seine Achillesferse "Katzi". Nicht jeder denkt an den Tod wie er: Natürlich glaube ich, dass ich ein Recht aufs Glück habe. Und wer weiß, vielleicht treffe ich die größte Liebe ja noch! Er steht zu sich, und sein Geist ist luzide wie eh und je: Ich bin nach den Medien süchtig, das ist mir schon klar. (Günter Traxler/DER STANDARD; Printausgabe, 19./20.11.2011)