Wien - Über mehrere Kunstebenen verfügt dieses neue Musiktheater von Wolfgang Mitterer; und fast jede hat - für sich genommen - ihre Meriten. Da sitzt Baron Münchhausen, öfters gerne auch erschöpft, in einem Fauteuil und fantasiert sich singend durch seine Geschichten. Er ist allerdings (mit seinen Opernkumpanen) quasi in einem Video-Aquarium gefangen, das auf zwei Wänden (vor und hinter dem Baron) muntere, surreale Szene anbietet.

Je nachdem, wo der Lügenkönig gerade erzählerisch landet, fliegen Pferde, wilde Hunde und Enten, es schwanken Schiffe, es brennen Videofeuer, und es blühen Gärten. Da ist Frank Aleu Fantasievolles gelungen.

Eine weitere Ebene stellt die Musik dar: Mitterer, dem bei Wien Modern, das sich für diese Uraufführung (zusammen mit der Wiener Taschenoper) im Rabenhof einquartierte, ein Schwerpunkt gewidmet ist, hat seine hochenergetischen, nervös attackierenden, elektronischen Ideen eingesetzt, um eine markant gefärbte Klangwelt (auch mit Clubbing-Beats, Barockzitaten) zu installieren.

Dass die Figuren vokal ganz normalem Opernpathos frönen und auch gestisch nicht über die Genreroutine hinauskommen, ist jedoch jener Punkt, an dem es zur Entfremdung zwischen den sich hier treffenden Genres kommt. Sind die Videos originell, so verschmelzen sie vor allem elegant mit der instrumentalen Seite dieser Comic-Opera - und das Paradoxe geschieht: Münchhausen (vokal glänzend Andreas Jankowitsch) wird immer wieder zum fast schon störenden Fremdkörper in seinem eigenen Stück.

Videos und Opernfiguren hätte da etwas mehr verschmelzen können. Und auch das Libretto von Ferdinand Schmatz war jetzt nicht so erhellend, dass man hernach nicht zunächst eine gewisse Ratlosigkeit empfunden hätte.  (Ljubisa Tosic  / DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.11.2011)