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Roland Batik: "Friedrich Gulda animierte einen auch, etwas Extremes zu wagen."

Foto: Archiv

Wien - Es gehört nicht unbedingt zum Angenehmsten, von Großmeistern lernen zu dürfen. Zwar ist es Jahrzehnte her, dass Roland Batik in einem recht klapprigen VW zu Friedrich Gulda tuckerte - Batik jedoch kann sich noch genau erinnern, dass eine nur zehnminütige Verspätung die Laune des "Lehrers" dermaßen zerrüttet hatte, dass Gulda dem Schüler Batik ein paar unvergesslich ungemütliche Momente bescherte.

Gröbere Konsequenzen hatte die Angelegenheit nicht. "Ich fuhr fünf Jahre lang immer wieder zu ihm, und bei gewissen Dingen, die er mir gezeigt hat, dauerte es noch sehr lange, bis ich sie verarbeitet hatte." Um jemandem Wesentliches zu vermitteln, pflegte Gulda bisweilen ja zu übertreiben. "Etwa im Bereich der Dynamik. Als ich das punktgenau umzusetzen versuchte, bemerkte ich, dass das so nicht funktionieren kann. Gulda ging es einfach darum, die Funktion von Kontrasten bei gewissen Stellen durch Überdeutlichkeit zu vermitteln. Natürlich hatte ich den traditionellen, ordentlichen Hochschulunterricht genossen. Also animierte Gulda einen, auch etwas Extremes zu wagen."

Zwischen Jazz und Klassik

Extrem ist Batik auch im Vielseitigen: Er ist einer der wenigen, die Klassik praktizieren (Wiener Klassik ist ihm sehr wichtig) und sich dennoch ernsthaft auch dem Jazz widmen. Ein heikles Unterfangen. Schließlich zwingen die Genres mit ihren unterschiedlichen Arten der Phrasierung Interpreten zumeist zur Spezialisierung. Und auch Batik - unlängst wurde er 60 - hat da mittlerweile einen etwas strengeren Zugang. "Ich bin früher zwischen verschiedenen Sachen herumgesprungen, nun trenne ich bewusster." Der Abend im Musikverein ist also klassisch dominiert und frei von Improvisation.

Gelassener ist Batik, der in den frühen 1980er-Jahren im Duo mit Paul Gulda Erfolge feierte, womöglich schon seit dem einschneidenden Jahr 2000. Damals starb sein Vater, "wie auch Friedrich Gulda, und ich wäre beinahe durch eine Gehirnblutung umgekommen. Ich hatte Glück, mir wurde ein zweites Leben geschenkt. Ich habe danach aufgehört, jeder Sache nachzujagen. Ich hatte mir mehr zugemutet, als zu verkraften war."

Sich auf die Position als Lehrer (Batik ist Professor am Konservatorium Wien Privatuniversität) zurückzuziehen, das allerdings wäre doch ein wenig zu entspannend. "Es gibt so vieles, was ich noch nie studiert habe. Ich will mich unbedingt mehr mit der Moderne auseinandersetzen, Dinge schreiben, die über das Erreichte hinausgehen."

2012 soll denn auch der Komponierbleistift "glühen" - wobei: "Ich schreibe eher vom Klavier aus, bin abhängig von der Improvisation, bei der Dinge entstehen, von denen ich dann das Gefühl bekomme: Ja, das könnte man vielleicht ausbauen."

Innovativer sein? "Ja, wenn es passiert, gerne. Der Anspruch darf aber bei mir nicht zum Stress werden. Ich habe es mir erlaubt, zu sagen, ich habe eine Klangvorstellung, und die ist nun einmal weitestgehend tonal geprägt. Es kann zum Krampf werden, wenn ich etwas versuche, bei dem ich nicht emotional dahinterstehen kann." (Ljubiša Tošić/DER STANDARD, Printausgabe, 21. 11. 2011)