Die Umsetzung der geplanten Schuldenbremse erfordert Einsparungen von über neun Milliarden Euro. Ein Blick ins Bundesbudget zeigt, woher das Geld denn eigentlich nur kommen kann: von den Minister/ -innen Hundstorfer (Soziales), Schmied (Bildung) und Bures (Verkehr) - welch Glück: allesamt "verhasste" Rote. Deren Budgets machen einen Großteil des Bundeshaushalt aus. Das konservativ regierte Familienressort wurde ja von Einsparungen ausgeschlossen - im Gegenteil, Familienleistungen sollen noch erhöht werden - in den anderen Bereichen gäbe es zwar Einsparungsmöglichkeiten, allerdings nicht im erforderlichen Umfang.

Damit ist der ÖVP ein doppelter Coup geglückt: Sie hat den ungeliebten Koalitionspartner an die Wand gedrückt und nach ihr lästigen "Gerechtigkeitsdebatten" nun endlich wieder die Definitionshoheit darüber, was denn Krise sei - nämlich "Staatsschuldenkrise" - und wie diese denn nun zu bewältigen wäre - durch Sparen, Sparen, Sparen.

Wende vorgezeichnet

Gleichzeitig hat sie wieder einmal ihre - vermeintliche - Wirtschaftskompetenz hervorgekehrt. Nur am Rande bemerkt: In Deutschland haben 64 Professor/ -innen der Volkswirtschaft eine Petition gegen die Schuldenbremse unterschrieben, weil sie diese ökonomisch schlichtweg für einen Schwachsinn halten und auch nicht für umsetzbar.

Mit der rot-schwarzen Schuldenbremse ist damit die Kampagne des Schuldenbremsenfetischisten Strache - der sich natürlich davor hüten wird, in dieser Situation Mehrheitsbeschaffer für eines seiner Herzensanliegen zu sein - vorgezeichnet: "Kein Geld für unsere Leut", dafür 22 Milliarden für die Griechen (obwohl diese nur Haftungen sind - aber wen interessiert's, wer kann's schon unterscheiden). Die ÖVP nimmt in Kauf, dass Straches Strategie aufgeht. Scheinbar hängen die schwarzen Granden noch immer der These Schüssels an, dass die FPÖ beherrschbar wäre und unter Blau-Schwarz besser zu regieren sei als in einer großen Koalition.

Die Weichen für Blau-Schwarz wurden gestellt, der Kanzler hat sich mit seiner boulevardesken Orientierung einmal mehr verdribbelt, die SPÖ droht den "nützlichen Idioten" für die blau-schwarze Wende zu geben. Und solange die Grünen nicht klar Nein zu einer politischen Agenda unter neokonservativen Vorzeichen sagen, stehen sie in politischer Intelligenz der SPÖ nicht wesentlich nach.

Nur: Der Europapartei ÖVP wird es dieses Mal wohl nicht gelingen, die nationalistischen Geister, die sie sich mit Strache einfängt, wieder loszuwerden. Kommt die Schuldenbremse, wird diese das dominierende Thema der nächsten Legislaturperiode sein. Dann werden etliche Ministerien, wo es harte Einschnitte setzt, nicht mehr rot, sondern schwarz sein.

SPÖ und Grüne werden die "Fundamentalopposition" geben, sich ganz dem Thema Verteilungsgerechtigkeit widmen und blockieren, was zu blockieren geht. Die FPÖ wird im Gegensatz zu 2000 nicht so zahm sein und ihren klar antieuropäischen Kurs - angesichts der allgemein verbreiteten Stimmung in Österreich ebenso wie in der EU - konsequent weiterfahren.

Österreich manövriert sich mit der Schuldenbremse geradewegs ins rechte Eck. Auch grundsätzlich begrüßenswerte und notwendige EU-Reformen - die könnte es vielleicht ja auch einmal geben - wären unter einer FP-Regierung nicht umsetzbar, weil eine grundsätzlich antieuropäische Stimmung weder mehr Geld lockermachen noch mehr sinnvolle Koordinierung ermöglichen würde. Der Boden für diese "rechtsnationalistische" Wende wird gerade aufbereitet. Ganz ohne Beteiligung von rechts außen. (Markus Koza, DER STANDARD, Printausgabe, 21.11.2011)