Bild nicht mehr verfügbar.
Wien - 56,8 Prozent der Österreicherinnen haben bereits körperliche Gewalt erfahren, 85,6 Prozent psychische Gewalt und jede dritte ist am Arbeitsplatz schon schikaniert worden. Das sind Auszüge aus den Ergebnissen der ersten Gewaltprävalenz-Studie in Österreich, die im Auftrag des Familienministeriums vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) durchgeführt und am Montag in Wien präsentiert wurde. "Ich bin schockiert über das enorme Ausmaß an Gewalt," sagte Konsulentin Monika Schröttle zu den Ergebnissen der Untersuchung mit dem Titel "Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld".
Insgesamt waren bereits 85,6 Prozent der österreichischen Frauen psychischer Gewalt ausgesetzt. 39,8 fühlten sich dadurch bedroht. Psychoterror haben 24,1 Prozent bereits erlebt, 54,8 Prozent empfanden diesen als Angst auslösend. Auf "verletzende Art lächerlich gemacht" fühlten sich 51,9 Prozent (31,7 Prozent) der Frauen und "wiederholt beleidigt" 51,8 Prozent (47,5). Ungewollt kontaktiert wurden 28 Prozent, wobei 35,6 Prozent dies auch als bedrohlich empfanden.
Körperlicher Gewalt ausgesetzt waren 56,8 Prozent der Frauen. 29,6 Prozent sahen dabei ein bedrohliches Ausmaß der Gewalt. Jede Dritte Frau hat schon einmal eine leichte Ohrfeige bekommen, fünf Prozent wurden verprügelt.
30 Prozent waren schon Opfer sexueller Gewalt
Sexuell belästigt fühlten sich 74,2 Prozent der Frauen, 29,2 Prozent im bedrohlichen Ausmaß. Jede Zehnte wurde mit sexuellen Absichten verfolgt. 42 Prozent der Frauen wurde nachgepfiffen und 35,9 Prozent sahen das als bedrohlich an. 30 Prozent waren schon Opfer sexueller Gewalt, sieben Prozent wurden vergewaltigt, bei 8,9 Prozent wurde das versucht. Ein Viertel wurde intim berührt, ohne das zu wollen.
"Männer sind weniger 'häusliche' Opfer"
"Männer werden eher in der Öffentlichkeit oder am Arbeitsplatz zu Gewaltopfern (definiert auch im Sinne von Belästigung, Anm.) als Frauen, die grundsätzlich massivere Folgen der Gewalt erleben. Männer sind weniger 'häusliche' Opfer", erklärte Schröttle. "Die Zusammenhänge der Gewalt an Frauen sind mannigfaltiger und sie werden auf mehr Ebenen zu Opfern als Männer."
Umfassende Studie mit Geschlechtervergleich
Befragt wurden 2.334 ÖsterreicherInnen zwischen 16 und 60 Jahren. Die Studie ist die erste in Europa, die "einen Geschlechtervergleich aufsetzt", sagte Mit-Autor Olaf Kapella. "Erhoben wurde auch die psychische Gewalt wie Mobbing, da diese in den letzten Jahren im Ansteigen begriffen war." Untersucht wurde in vier Bereichen: psychische und körperliche Gewalt sowie sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt. Dazu wurde erhoben, inwiefern eine Gewalthandlung (außer bei sexueller Gewalt) als bedrohlich empfunden wird.
Die Studie zeigte, dass Frauen und Männer von Gewalt betroffen sind, diese aber unterschiedlich wahrnehmen. Frauen sind öfter im engsten sozialen Umfeld von Gewalt betroffen und kämpfen mit schlimmeren sowie längeren Nachwirkungen als Männer, bei denen sich Gewalt (in der Opferrolle) tendenziell eher öffentlich abspielt. Frauen werden eher in der Partnerschaft und in der eigenen Wohnung zu Opfern - "primär im engen sozialen Nahraum und in der Partnerschaft", so Kapella.
Mädchen erfahren doppelt so oft sexuelle Gewalt
Getrennt abgefragt wurden in der Studie Gewalterfahrungen von ÖsterreicherInnen in der Kindheit bis zum 16. Lebensjahr. Drei Viertel der befragten Personen haben psychische und/oder körperliche Gewalt erlebt. Dabei zeigten sich kaum Unterschiede zwischen Frauen und Männern - außer bei der sexuellen Gewalt: Mit 27,7 Prozent Nennungen waren mehr als doppelt so viele Mädchen sexuellen Übergriffen ausgesetzt als Burschen (zwölf Prozent).
Männliche Opfer: "Noch viel zu forschen"
Männer wurden im Studienschnitt bereits zumindest einmal in ihrem Leben zu 78,4 Prozent Opfer psychischer und zu 61,4 Prozent von körperlicher Gewalt. Bedrohlich empfanden dies 30 beziehungsweise 27,9 Prozent. 27,2 Prozent wurden schon sexuell belästigt (5,6 Prozent) und 8,8 Prozent sahen sich bereits sexueller Gewalt ausgesetzt.
Als "erstaunlich" analysierte Schröttle die männlichen Opfer-Daten sexueller Gewalt. "Hier ist noch viel zu forschen. Wir gehen davon aus, dass Männer eher dazu tendieren, sozial erwartete Antworten zu geben." Fühlen sich Männer etwa von Frauen sexuell belästigt, würden sie davon sprechen, die Frau zurückgewiesen zu haben - aus Desinteresse: "Als hätte der Mann alleine die Kontrolle", so Schröttle. (APA)