Konkrete Schritte des neuen Expertenkabinetts stehen noch aus, doch der für Italiener sehr ungewohnte Stil des "Governo tecnico" stößt in der Bevölkerung auf Sympathie - in der privilegienverwöhnten Politikerkaste aber eher auf Beunruhigung.

Mario Monti lebt eine unaufgeregte Nüchternheit vor, vom Stil seines Vorgängers trennen ihn Welten. Der Premier ersetzte Silvio Berlusconis gepanzerten Audi durch einen älteren Lancia und bezog stillschweigend die vom Cavaliere verschmähte Dienstwohnung im Palazzo Chigi. Auch dass er beim Besuch der Botticelli-Ausstellung auf der Bezahlung seines Tickets beharrte, erstaunte viele.

Auf die Drohung Berlusconis PDL, der neuen Regierung "den Stecker herauszuziehen" , reagierte Monti mit britischem Humor: "Vergleichen Sie uns nicht mit einem Gerät. Wir wüssten nicht, ob wir uns als Rasierapparat oder als Eiserne Lunge fühlen sollen."

Die von Berlusconi zum Showgeschäft mutierte Politik ist urplötzlich zum Schauplatz wortkarger Nüchternheit geworden: Die Minister ignorieren die Journalisten, die gewohnten Indiskretionen bleiben aus, Interviews sind Mangelware. 70 Prozent aller Italiener gewähren Montis Kabinett einen Vertrauensvorschuss, persönlich unterstützen ihn laut einer Umfrage sogar 84 Prozent.

Sparen, sparen, sparen

Am Montag trat das Kabinett zur ersten Sitzung zusammen, um ein neues Sparpaket vorzubereiten. Als sicher gilt eine Wiedereinführung der von Berlusconi abgeschafften Immobiliensteuer, die sich am Wert der Gebäude ausrichten soll. Auch eine Anhebung der Katasterwerte wird angepeilt. Die Mehrwertsteuer soll erneut erhöht werden. Zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung sollen in Zukunft Barzahlungen über 300 Euro verboten werden, alle Geschäfte des Landes müssen Bankomat- und Kreditkarten akzeptieren.

Auch eine Reform des Arbeitsmarkts und der Pensionen wird vorbereitet. Vor allem im Lager Berlusconis beobachten viele die Entwicklung mit Misstrauen. Sie wissen, dass eine drastische Beschneidung ihrer Privilegien bevorsteht.

Am Dienstag beginnt Monti in Brüssel seine Beratungen mit Herman Van Rompuy und José Barroso, am Donnerstag trifft er in Straßburg auf Angela Merkel und Nicolas Sarkozy.

Im ersten Interview nach seinem Rücktritt betonte Berlusconi indes, Monti habe ihm versprochen, bei Neuwahlen - spätestens 2013 - nicht anzutreten. Und erstmals kündigte er an, dass der PDL-Spitzenkandidat in Vorwahlen bestimmt werden soll: "Ich bin überzeugt, dass es Angelino Alfano wird." Die Auslandspresse sei den "Lügen" über seinen Lebensstil aufgesessen: "Es stimmt, dass mir Gianpaolo Tarantini eine Menge schöner Mädchen ins Haus brachte. Aber ich wusste nicht, dass sie von ihm bezahlt waren." (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 22.11.2011)