Bijan Khajehpour ist Wirtschaftsexperte. In Wien leitet er die Wirtschaftsberatungsfirma Atieh International und ist führender Strategie-Berater für den Iran. Heute, Dienstag, diskutiert er ab 19 Uhr im Bruno-Kreisky-Forum (Armbrustergasse 15, 1190 Wien) mit anderen Experten über das Thema "Iran und der Arabische Frühling".

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Eine Revolution werde es aber nicht geben. Mit Bijan Khajehpour sprach Julia Raabe.

STANDARD: Die iranische Bevölkerung hat sich vom Arabischen Frühling nicht mitreißen lassen.Warum gab es keine Proteste?

Khajehpour: Im Iran hat es ja schon 1979 eine Revolution gegeben. Da haben die Menschen die Erfahrung gemacht, dass mit einer gewaltsamen Transformation auch vieles kaputtgeht und politisch nicht unbedingt das erreicht wird, was man sich gewünscht hat. Deshalb sind die Iraner zurückhaltender und wollen wissen, was für eine politische Konstellation nach einem Wandel kommen würde.

STANDARD: Also keine Revolution im Iran, sondern langsame, wohlüberlegte Veränderungen?

Khajehpour: Genau. Die meisten Iraner sind an Reformen interessiert, aber nicht durch eine gewaltsame Revolution.

STANDARD: Ist das Regime in irgendeiner Form bedroht?

Khajehpour:Nicht in dem Sinne, dass es gestürzt wird. Aber der Reformgedanke wird durch die Veränderungen in der Region verstärkt. Das iranische Regime heißt ja "islamische Republik" . Man hat also von Anfang an zwei Komponenten eingebaut: eine islamische und eine republikanisch-demokratische. Wie das Gleichgewicht zwischen diesen Komponenten aussehen muss, war von Anfang an eine Frage. Und entlang dieser Frage wird weiter reformiert, durch den Generationswechsel in der politischen Elite, aber auch gesellschaftliche Veränderungen.

STANDARD: Welchen Einfluss hat der Arabische Frühling noch auf den Iran?

Khajehpour:Die strategische und geopolitische Landschaft in der Region hat sich sehr verändert. Das wird sich auch darauf auswirken, wie der Iran sich in Zukunft orientiert. Aber: Die Regierung reagiert mehr, als dass sie agiert. Das heißt, der Iran wird erst einmal abwarten, wie ein neues Gleichgewicht in der Region aussieht.

STANDARD: Welche Reformen im Iran sind realistisch?

Khajehpour: Die Revolutionen haben gezeigt, dass die soziale und wirtschaftliche Situation die wichtigste Rolle spielt. Die meisten schreien nicht nach Demokratie, sondern sie wollen berufliche Perspektiven, eine soziale und wirtschaftliche Entwicklung, Infrastruktur. Der Iran wird sich viel mehr mit wirtschaftlichen Problemen wie Arbeitslosigkeit und Inflation beschäftigen müssen.

STANDARD: Immer wieder ist von einem inneriranischen Machtkampf die Rede.

Khajehpour: Charakteristisch dafür ist das, was ich die politische Lähmung nenne: Parallelautoritäten und parallele Machtzentren. Es gibt schon eine Debatte darüber, die Position des Präsidenten abzuschaffen und ein parlamentarisches System mit einem vom Parlament gewählten Premier einzuführen. Eine solche Reform könnte den Iran in eine pragmatischere Zukunft führen, weil es weniger interne Kämpfe geben würde. Es gibt also Zeichen von einer auch politischen Reform.

STANDARD: Wann rechnen Sie damit?

Khajehpour: Im März 2012 haben wir im Iran Parlamentswahlen. Ich gehe davon aus, dass es danach, wenn das Parlament im August seine Arbeit aufnimmt, Anstöße geben wird, wie man sowohl die Wirtschaft als auch die politische Struktur reformieren kann. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.11.2011)