Frankfurt/Main/Berlin - Die gewaltbereite Neonazi-Szene in Deutschland ist nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" (Dienstagausgabe) enger mit der rechtsextremen NPD verzahnt als bisher bekannt. Aus internen Dokumenten, die dem Blatt vorlägen gehe hervor, dass Anführer der rechtsradikalen "Freien Netze" Einfluss auf die Partei nähmen, berichtete die Zeitung. In einem geheimen und passwortgeschützten Internetforum koordinierten die Köpfe verschiedener Kameradschaftsverbände aus Thüringen, Sachsen und Bayern ihre Einflussnahme auf die Partei.
Ein NPD-Fraktionsmitarbeiter im sächsischen Landtag habe beispielsweise in dem Forum dafür geworben, bei Kommunalwahlen NPD-Listenplätze durch "freie Kräfte" zu besetzen, berichtete das Blatt.
Ein von der rot-grünen deutschen Regierung initiiertes NPD-Verbotsverfahren war im Jahr 2003 gescheitert, nachdem bekannt geworden war, dass die NPD mit V-Leuten durchsetzt war. Daher wären Beweismittel für die Verfassungswidrigkeit der Partei vor Gericht nicht verwendbar gewesen. Im Zuge der Ermittlungen gegen die Zwickauer Neonazigruppe waren Forderungen nach einem erneuten Anlauf zu einem NPD-Verbotsverfahren laut geworden.
Unterdessen kommen die rund 450 Ermittler bei der Aufklärung der Taten und des Umfelds des mordenden Neonazi-Trios langsam voran. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen gibt es neue Erkenntnisse zu den bei der Gruppe gefundenen Ausweispapieren und zum Tod der beiden Männer. Bei ihnen waren "legale illegale Papiere" gefunden worden, wie es zunächst hieß. Nun ist klar, dass es sich um einen Pass von Uwe Mundlos handelt. Dieser sei offiziell von einer Passbehörde auf einen anderen Namen ausgestellt worden, enthalte aber Mundlos' Foto. Vermutlich sei der Behörde das Foto untergeschoben worden, verlautete in den Sicherheitskreisen. Zuvor war spekuliert worden, es könne sich um Ausweise handeln, wie Behörden sie verdeckten Ermittlern oder Kronzeugen ausstellen, die eine neue Identität bekommen.
Weitere Erkenntnisse gibt es auch zum Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 4. November im thüringischen Eisenach. Demnach soll Mundlos zunächst Böhnhardt erschossen, dann den Brand in dem Wohnmobil gelegt und sich schließlich mit derselben Waffe selbst getötet haben. Diese Vermutung werde durch die Ergebnisse einer Obduktion der beiden Leichen gestützt. Zuletzt waren öffentlich Zweifel daran geäußert worden, dass es sich wirklich um einen Selbstmord handelte. Mundlos und Böhnhardt hatten sich nach einem Banküberfall vor der herannahende Polizei in dem Wohnmobil versteckt. Ihre Komplizin hat sich später gestellt.
Unterdessen geht die Diskussion über die politischen und organisatorischen Konsequenzen aus den Pannen bei der Aufklärung der rechtsextremen Terrorgruppe weiter. Die Partei- und Fraktionschefs von Koalition und Opposition wollen heute (Dienstag/8.30) in Berlin darüber beraten. Anschließend debattiert der Bundestag über die Mordserie der Neonazi-Bande (10.00), der neun türkisch- und griechischstämmige Menschen sowie eine Polizistin zum Opfer gefallen waren. Die Ermittler haben rund ein Dutzend Verdächtige im Visier. (APA/AFP)