Verteidigungsminister stürzt über Abhörskandal - AM

Monatelang Journalisten abhören lassen - Treffen mit Staatspräsident Gasparovic am Mittwoch geplant

Bratislava - Die amtierende slowakische Regierungschefin Iveta Radicova hat wegen eines mutmaßlichen geheimdienstlichen Lauschangriffs auf Journalisten die Entlassung ihres Verteidigungsministers Lubomir Galko angekündigt. Bereits am Mittwochmorgen wolle sie mit Präsident Ivan Gasparovic zusammenkommen, um die Amtsenthebung umzusetzen, sagte Radicova am Dienstag. Das Abhören von Medienvertretern stehe "nicht im Einklang mit den grundlegenden Prinzipien" eines demokratischen Rechtsstaats. "Das muss Konsequenzen haben", sagte Radicova, deren Regierung nach den slowakischen Streitigkeiten um die Eurorettung vor wenigen Wochen nur noch geschäftsführend im Amt ist.

Der Armee-Geheimdienst des NATO-Landes Slowakei hatte zuvor die Bespitzelung von Journalisten eingestanden. Das Abhören mehrerer Telefone sei von einem Gericht bewilligt worden, weil damit dem Verdacht auf Wirtschaftskriminalität nachgegangen worden sei.

"Bedrohung des Systems"

Radicova teilte deshalb am Abend mit, das Justizministerium habe bereits eine Untersuchung gegen jene Richter eingeleitet, die den Lauschangriff erlaubt hätten. "Unter keinen Umständen, ob legal oder illegal, kann ein Abhören von Journalisten durch Geheimdienste für uns zulässig sein", sagte Radicova.

Abgehört wurden laut Medienberichten die Telefonate von drei Journalisten der Tageszeitung "Pravda" und des Direktors des Nachrichtenfernsehsenders TA3. Laut dem Chefredakteur der Zeitung "Sme", Matus Kostolny, ist das Vorgehen des Geheimdienstes VOS "eine Bedrohung des Systems, in dem wir leben, und diese Koalition und auch Minister Galko tun so, als ob sie dieses System respektieren". Und Kostolny weiter: "Minister Galko hat sich als paranoider Mensch erwiesen, der in dem Glauben lebt, dass er von Feinden umgeben ist."

Galko selbst erklärte noch am Dienstagnachmittag, die Abhöraktion sei mit richterlicher Genehmigung durchgeführt worden. Der Vizevorsitzende der neoliberalen Partei "Freiheit und Solidarität" (SaS) deutete zudem an, dass die abgehörten Journalisten bei der Aufdeckung von Korruptionsfällen ein Hindernis gewesen seien.

"Falls Minister Galko den Eindruck hatte, dass jemand aus dem Verteidigungsministerium die Journalisten über innere Angelegenheiten informiert hat, hätte er sich auf die Strukturen des eigenen Ministeriums konzentrieren sollen. Die Journalisten haben dem Gesetz nach das Recht, ihre Informationsquelle zu schützen", schrieb der Sicherheitsanalyst und Journalist Milan Zitny in der Tageszeitung "Pravda".

Die Abhöraffäre dürfte die Kluft zwischen den Parteien der Mitte-Rechts-Koalition in der Slowakei weiter vertiefen. Im Oktober hatte sich die mitregierende SaS gegen die Teilnahme des Landes am Euro-Rettungsschirm EFSF gestellt und damit die christdemokratische (SDKU-) Regierungschefin Iveta Radicova zu Fall gebracht. Die Oppositionspartei Smer war bereit, die Beteiligung der Slowakei an der Rettung schuldengeplagter Euro-Staaten mitzutragen, aber nur unter der Bedingung, dass die Parlamentswahlen vorgezogen werden. Bis zu dem Urnengang am 10. März 2012, bei dem sie nicht mehr antritt, bleibt Radicova geschäftsführend im Amt.

Die Hauptlinien der politischen Auseinandersetzungen in der Slowakei verlaufen seit den Vorkommnissen im Oktober zwischen SaS und SDKU. Nutzen aus dem Streit zwischen den Mitte-Rechts-Parteien scheint die linksgerichtete Smer zu ziehen: Laut aktuellen Meinungsumfragen besteht eine reale Chance, dass die derzeitige Oppositionspartei nach den Wahlen im März allein die Regierung stellen könnte.  (APA)