Ich hoffe, dass meine Ermordung nicht als Niederlage der Freiheit betrachtet werden wird, sondern als Ansporn, weiterzukämpfen, für diejenigen, die überleben." - Erschreckende und dennoch inspirierende Worte des aus Sri Lanka stammenden Redakteurs Lasantha Wickrematunge, der nur einige Tage nach Verfassung dieser Zeilen von zwei bewaffneten Männern auf Motorrädern inmitten des Frühverkehrs im Zentrum von Colombo erschossen wurde. Der Leitartikel, in dem Wickrematunge seine eigene Ermordung prophezeite, wurde posthum veröffentlicht und sandte in seiner aufschreckenden Deutlichkeit eine Welle der Bestürzung rund um die Welt.
Gemäß den Aufzeichnungen des Internationalen Presseinstituts (IPI), wurden dieses Jahr bereits mehr als 90 Journalisten getötet. Seit dem Jahr 2000 sind über 900 Journalisten aufgrund ihres Berufs ums Leben gekommen. Da die Mörder nur selten ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, ist ein Klima der Straflosigkeit entstanden, in welchem - aus Sicht der Täter - der Mord an Journalisten als trivial erscheint, als eine Tat, die immer und immer wieder begangen werden kann, ohne dass eine Verhaftung oder Verurteilung zu fürchten ist.
Die Sicherheit von Journalisten ist eine tragende Säule des universalen, unveräußerlichen Rechts auf Pressefreiheit, verankert in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Uno. Wenn Journalisten aus Angst zur Selbstzensur veranlasst werden, beeinträchtigt das den freien Nachrichtenstrom. Bürger werden ihrer Informationen beraubt. Die Rechenschaftspflicht - sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors - wird untergraben, die Demokratie bedroht.
Bei Ausbleiben kritischer und unabhängiger Berichterstattung werden Desinformation, Propaganda und Aufhetzung überhandnehmen. Es ist daher die Pflicht aller - insbesondere der Regierungen -, sich an den globalen Bemühungen zum Schutz von Journalisten zu beteiligen.
Wir brauchen hierzu eine umfassende Herangehensweise, die Medienorganisationen, Vertreter der Zivilgesellschaft, Staaten und internationale Organisationen miteinbezieht, und müssen eine übergreifende Bereitschaft erzeugen, sich zu engagieren, universelle Werte über eigene Interessen zu stellen und - wo notwendig - tiefsitzende Muster der Einschüchterung und der Gewalt zu überwinden.
Aus diesem Grund ist die österreichische Regierung - mit Unterstützung des IPI - darum bemüht, den Schutz von Journalisten im Rahmen des Menschenrechtsrats der Uno, in den Österreich vor kurzem gewählt wurde, zum Thema zu machen.
Als erster Schritt werden am 23. November Regierungsvertreter sowie Vertreter der Zivilgesellschaft und internationaler Organisationen im Rahmen unserer gemeinsamen Initiative in Wien zusammentreffen, um konkrete Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit von Journalisten weltweit zu diskutieren.
Die Ergebnisse dieses Treffens werden in eine Reihe von Aktivitäten im Rahmen des Menschenrechtsrats einfließen. Unser Ziel ist die Annahme einer substanziellen Resolution des Rates, die den Schutz von Journalisten fest auf der internationalen Agenda verankert.
Wir sind uns der Herausforderungen und des steinigen Wegs, der vor uns liegt, vollends bewusst. Aber wir - Regierungen und Medienvertreter - schulden diesen Einsatz allen bedrohten Journalisten weltweit, dem couragierten Widerstand und ehrenhaften Vermächtnis all jener, die in Ausübung ihres Berufs den ultimativen Preis zahlen mussten, sowie den Bürgern aller Kontinente, die ein grundlegendes Recht auf Information haben. (Michael Spindelegger, Vizekanzler und Außenminister der Republik Österreich und Alison Bethel McKenzie, Exekutivdirektorin des Internationalen Presseinstituts/DER STANDARD; Printausgabe, 23.11.2011)