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Serbiens Chefverhandler im Dialog mit dem Kosovo, Borko Stefanović.

Foto: APA/EPA/Hoslet

Unter dem Motto "Wenn uns schon unser Mutterland nicht beschützen kann, dann eben Mütterchen Russland" überreichten vor zehn Tagen 21.733 im Kosovo lebende Serben in der russischen Botschaft in Belgrad einen Kollektivantrag auf die russische Staatsbürgerschaft. Die Vertreter Russlands zeigten sich gerührt und versprachen den Antrag an die Duma weiterzuleiten.

Kurz danach warnte Serbiens Staatssekretär für den Kosovo, Oliver Ivanović, vor "gefährlichen, emotionalen" Reaktionen der Kosovo-Serben. Es bestehe die Gefahr, dass die vier serbischen Gemeinden im Nordkosovo, in denen mehrheitlich Serben leben, ein "unabhängiges, autonomes Gebiet" ausrufen könnten, sagte Ivanović. Offensichtlich ist, dass Belgrad die Kontrolle über die Kosovo-Serben verloren hat. Zumal sich auch die serbische Koalitionsregierung mit ihrer knappen parlamentarischen Mehrheit nicht mehr über die zukünftige Kosovo-Politik einig ist. Auf der einen Seite fordert die "Serbischen Erneuerungsbewegung" (SPO), sich mit dem unabhängigen Kosovo abzufinden, denn nur so könne Serbien die EU-Integration beschleunigen. Auf der anderen verkündete die "Sozialistische Partei Serbiens" (SPS), dass Serbien auch "ohne die EU auskommen könne" , wenn der Preis für die EU die territoriale Integrität des Staates sei. Für eine Kosovo-Deklaration, die die bisherige Politik der Nichtanerkennung und Blockade bestätigen sollte, fand die Regierung keine Mehrheit im Parlament.

Die Opposition sprach von einer Regierungskrise und forderte den Rücktritt von Premier Mirko Cvetković. Auch die zweitägigen EU-geführten Gespräche von Vertretern Belgrads und Prishtinas endeten am Dienstag in Brüssel ohne Einigung. Die serbischen Regierungsparteien wollen aber die Situation bis zum 9. Dezember nicht weiter zuspitzen, um die Entscheidung des EU-Ministerrats über den EU-Kandidatenstatus nicht zu gefährden.

Für den Kandidatenstatus sollte Serbien laut Empfehlung der EU-Kommission alles bisher Vereinbarte im Dialog mit Prishtina implementieren. Es geht etwa um die Kataster, die Pristhina bekommen soll. Belgrad willigte unter dem Druck der EU ein, dass in Streitfällen der oberste Gerichtshof in Prishtina zuständig ist. Serbiens Chefverhandler Borko Stefanović wurde deswegen des "Hochverrats" bezichtigt.

Ins Kreuzfeuer geriet Stefanović auch wegen seines Vorschlags einer "integrierten Verwaltung" der zwei nordkosovarischen Grenzübergänge zu Serbien. Gedacht ist, dass jeweils ein kosovarischer, ein serbischer und ein internationaler Beamter an der Grenze stehen sollten. Für die Kosovo-Serben sind diese Kompromisslösungen inakzeptabel. Sie wollen an ihren Barrikaden ausharren. (Andrej Ivanji aus Belgrad/DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2011)