Wien - Der erste Zuhörer schlief schon, als Wolfgang Schüssel im Hohen Haus zur Begrüßung ansetzte. Ob das mit der nachfolgenden "Standortbestimmung in Zeiten des Umbruchs" durch Außenminister Michael Spindelegger zusammenhängen konnte, war nicht zu eruieren. Die Dienstag im Plenum des Nationalrates anwesenden Exminister, Diplomaten, Nationalräte und Professoren hätten es jedenfalls höflich verneint, dass Spindeleggers außenpolitische Grundsatzrede derart wenig mitreißend gewesen wäre.

Dieser skizzierte Österreichs außenpolitische Positionen zwischen der EU und den Interessen der heimischen Wirtschaft. Wien sei angewiesen auf Europas Marktmacht und auch außenpolitische Macht - "allein brauchen wir gar nicht erst antreten, um in der Welt etwas zu verändern" .

Rhetorisch stellte sich der Außenminister dann die Frage: "Ja, brauchen wir denn noch eine eigene österreichische Außenpolitik und österreichische Vertretungsbehörden in der Welt?" Die Antwort, die er sich selbst gab, lautete wenig überraschend: "Ganz klar: Ja." Denn der Europäische Auswärtige Dienst werde weder österreichische Interessen vertreten noch Firmen unterstützen oder Bürgern helfen.

Als prioritäre Felder für die Außenpolitik skizzierte Spindelegger ebenso wenig Überraschendes: den Balkan, den Donauraum, den Kaukasus und die Schwarzmeer-Region. Auch die Türkei sei trotz aller Differenzen mit Ankara "ein interessanter Partner, auch über die Außenpolitik hinaus" .

Den Vorwurf der Profillosigkeit wollte Spindelegger für Österreichs Außenpolitik nicht gelten lassen. Wiens Haltung bei der Abstimmung über die Unesco-Mitgliedschaft der Palästinenser habe dies eindeutig widerlegt.

Auch im Arabischen Frühling habe die Republik viele Hilfen angeboten. Er selbst sei zuletzt in Bagdad gewesen und habe dort immerhin "drei Tage überlebt, könnte man sagen". (pra/DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2011)