Minister Karlheinz Töchterles Argumente für Studiengebühren überzeugen Rektorin Eva Blimlinger nicht. Sein Einsatz für die Uni-Milliarde mache ihn jedoch zum Fürsprecher der Hochschulen.

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UniStandard: Herr Minister, Frau Rektorin, Sie beide betonen gerne, dass die österreichischen Unis besser seien als ihr Ruf. Woher kommt das schlechte Image?

Blimlinger: Mit den Unis ist es so wie mit der Kunst: Der einzelne Künstler oder Professor wird geschätzt, aber nicht die Kunst oder Universität insgesamt.

Töchterle: Ihr Ruf leidet vor allem unter zwei Aspekten. Das eine ist die Finanzierung, sie wird von den Rektorinnen und Rektoren in den Vordergrund gerückt. So bleibt in der Öffentlichkeit vor allem hängen, dass die Unis aus dem letzten Loch pfeifen. Ich bemühe mich, trotz generellen Sparkurses mehr Geld zu bekommen - und über Studienbeiträge noch mehr bereitzustellen. Das zweite Problem sind die Massenfächer. Auch das ist lösbar, nämlich durch Zugangsregelungen.

UniStandard: Frau Blimlinger, was halten Sie davon?

Blimlinger: Das Problem, das ich dabei sehe, sind Verdrängungseffekte. Wer nicht Medizin studieren kann, geht dann zur Pharmazie.

Töchterle: Dann muss man eben überall klare Regelungen einführen. Ich kann nicht einfach sagen: Gehts alle hinein. Das ist Betrug an jenen, denen man das vorspielt, und eine Zumutung für die, die bereits im Studium sind.

Blimlinger: Wir haben doch eine Zugangsbedingung: die Matura als Kriterium der Hochschulreife.

Töchterle: Die Matura liefert die Hochschulreife, aber nicht die Zugangsberechtigung für alle Studien. In den angloamerikanischen Ländern durften die Universitäten immer schon auswählen, wen sie nehmen.

Blimlinger: Dann müssen wir aber konsequent die Unis entscheiden lassen. Im Moment haben wir ein Mischsystem von Matura, Studienberechtigungsprüfung, Eingangsphasen. Da braucht es klarere Strukturen.

UniStandard: Herr Töchterle, Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit gesagt, dass es im Herbst ein positives Ergebnis bezüglich Finanzen geben muss, damit Sie den Job längerfristig machen. Im Moment scheint bei der Uni-Milliarde aber nicht viel weiterzugehen ...

Töchterle: Wir verhandeln derzeit mit dem Finanzressort. Die Finanzministerin ist aber verständlicherweise mit dem Budget 2012 und der Eurokrise beschäftigt, so dass wir unsere Gespräche noch nicht abschließen konnten. Wir müssen die Gespräche bis Jahresende unter Dach und Fach haben, und das werden wir auch.

UniStandard: Frau Blimlinger, was sagt es über den politischen Stellenwert der Unis, wenn die Finanzministerin in der Budgetrede einen "Uni-Milliarde in Schilling"-Scherz machen kann - und das Hohe Haus lacht dazu?

Blimlinger: Wir leben in einer repräsentativen Demokratie, und die ist im Parlament repräsentiert. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Töchterle: Das war eine Nebenbemerkung, der man nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte.

UniStandard: Sie haben die Euro- Uni-Milliarde als "teilweise Mogelpackung" kritisiert. Warum?

Blimlinger: Die Milliarde ist eine Mogelpackung - denn das ist ja nicht reales Geld, etwa sind nicht existierende Studiengebühren mit einberechnet.

Töchterle: Nein. In der Milliarde sind Beiträge nicht eingerechnet.

Blimlinger: Na bestens.

Töchterle: Mir tun solche Aussagen schon weh. Die Milliarde ist mein ehrliches Verhandlungsziel. Wenn Beiträge dazukämen, hätten die Unis über drei Jahre rund 1,5 Milliarden mehr - eine gewaltige Steigerung.

UniStandard: Frau Blimlinger, was halten Sie von Studiengebühren?

Blimlinger: Zu Studiengebühren generell gibt es ja unterschiedliche Argumente. Das eine ist die Finanzierung. Das rechnet sich aber nicht, wenn es zugleich ein gutes Stipendiensystem geben soll. Dann wieder heißt es, die Gebühren sollen ein Steuerungsinstrument sein. Da schreit die ÖH auf. Wenn es jemandem gelingt, ein wirklich gutes Argument für Studiengebühren zu bringen ...

Töchterle: Ich habe drei. Darf ich sie nennen?

Blimlinger: Ja, gut.

Töchterle: Erstens: Studienbeiträge bringen den Universitäten spürbar mehr Geld. Zweitens sind Studienbeiträge sozial gerechter - weil sie nur von denen verlangt werden, die sie sich leisten können. Außerdem kann ich damit ausländischen Studierenden einen Beitrag zur Finanzierung unserer Unis abverlangen. Mit Studienbeiträgen müssten auch deutsche Studierende zumindest etwas zahlen, was sie derzeit großteils nicht tun. Und der österreichische Steuerzahler blutet ohnehin schon, warum soll er auch noch Studienplätze für ausländische Studierende voll mitfinanzieren - das sehe ich nicht ein. Drittens machen die Beiträge das Studium verbindlicher. Das ist mir sehr wichtig angesichts von rund 100.000 inaktiven Studierenden.

UniStandard: Überzeugt?

Blimlinger: Nein. Fangen wir an mit dem Geld: Das letzte Mal sind die Studiengebühren den Unis sofort wieder an anderer Stelle abgezogen worden.

Töchterle: Ich sage: Diesmal bleiben sie den Unis. Sonst würde ich sie nie vorschlagen.

Blimlinger: Wer knapp kein Stipendium mehr bekommt, zahlt trotzdem Gebühren. Ich halte das nicht für sozial gerecht. Ob jemand studieren kann, ist oft eine Frage des Milieus. Das müsste man lösen.

Töchterle: Ein anderes Argument: Jede Ausbildung kostet, sogar der Kindergarten. Man kann natürlich die Position vertreten, dass das alles gratis sein soll.

Blimlinger: Ja, die vertrete ich.

Töchterle: Diese Utopie wird es nie geben, und weil sie nicht realisierbar ist, ist es besser, eine andere Form von Gerechtigkeit herbeizuführen - über Studienbeiträge.

UniStandard: Frau Blimlinger, Sie haben kritisiert, dass das Wissenschaftsministerium in Opposition zu den Unis steht, während der Landwirtschaftsminister sich als Lobbyist für die Bauern sieht.

Blimlinger: Diese Opposition gibt es, seit Hertha Firnberg 1975 die Demokratisierung der Unis gegen die Professoren durchgesetzt hat. Aber ich gestehe Töchterle zu, dass er mit seinem Einsatz, die Uni-Milliarde zu bekommen, teilweise mit dieser Tradition bricht.

UniStandard: Sie vertreten häufig dieselben Positionen wie Studierende. Würden Sie unter Umständen auch gemeinsam streiken?

Blimlinger: Das wäre mir suspekt. Rektorat und Studierende haben prinzipiell unterschiedliche Interessen. Wenn ich mit den Studierenden einer Meinung bin, dann nicht, weil ich nett sein will, sondern weil das meine politische Überzeugung ist. Historisch gesehen ist Streik in Österreich übrigens nicht das beste Instrument für politische Veränderung.

UniStandard: Minister Töchterle hat unlängst den "ECTS-Wahnsinn" kritisiert. Wie sehen Sie das?

Blimlinger: Die ECTS-Zählerei ist problematisch, weil sie nur Zeit misst.

Töchterle: Man müsste klare Lernziele definieren und mit den ECTS das Wissen auf dem Weg dorthin messen, nicht nur die Zeit.(Tanja Traxler und Valentin Schwarz, UNISTANDARD, Printausgabe, November 2011)