Wien - Die fünf in die Ermittlungen im Entführungsfall Natascha Kampusch eingebundenen Staatsanwälte werden strafrechtlich nicht weiter verfolgt. Das gegen die Betroffenen - darunter der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Werner Pleischl, und der ehemalige Kampusch-"Sonderermittler" und nunmehrige Chef der Staatsanwaltschaft (StA) Graz, Thomas Mühlbacher, - geführte Amtsmissbrauchs-Verfahren wird eingestellt. Das wurde am Donnerstag in einer Pressekonferenz im Justizministerium bekanntgegeben.

Die Tiroler Strafverfolgungsbehörden hatten gegen ihre Wiener Kollegen auf Basis von Anschuldigungen des ehemaligen OGH-Präsidenten Johann Rzeszut ermittelt, der diesen in seiner Funktion als Ex-Mitglied einer vom Innenministerium eingesetzten Evaluierungskommission zu den Kampusch-Ermittlungen schwere Versäumnisse vorgeworfen hatte. Rzeszut bezichtigte die Staatsanwälte, wissentlich wesentliche Ergebnisse der Polizeiarbeit ignoriert und sich frühzeitig auf Wolfgang Priklopil als Einzeltäter festgelegt zu haben.

StA Innsbruck: "Kein Fehlverhalten"

Für die StA Innsbruck besteht allerdings kein Zweifel, dass die fünf unter Amtsmissbrauch-Verdacht geratenen Ankläger "aus juristischer Sicht nachvollziehbar und sachgerecht" gearbeitet haben. Wie Behördenleiterin Brigitte Loderbauer betonte, habe sich "klar ergeben, dass kein Fehlverhalten vorliegt", so dass das Verfahren mit Genehmigung des Justizministeriums eingestellt wurde.

Justizministerin Beatrix Karl lässt diese Entscheidung jetzt noch vom unabhängigen und weisungsfreien Rechtsschutzbeauftragten überprüfen. "Wenn auch diese weitere Prüfung ergibt, dass alles unternommen wurde, um den Verdacht in Richtung möglicher Mittäter aufzuklären, sind die Ermittlungen der Justiz endgültig abgeschlossen. Andernfalls wird der Fall fortgesetzt", hielt Karl fest.

Zehnmonatige Tätigkeit

Jedem einzelnen Vorwurf, den der pensionierte OGH-Präsident Johann Rzeszut gegen die Staatsanwälte erhoben hatte, sei "detailliert nachgegangen worden", so die Innsbrucker StA-Leiterin Brigitte Loderbauer. Die damit betraute Sachbearbeiterin der Tiroler Anklagebehörde wurde dafür von allen anderen Agenden freigestellt. Nach zehnmonatiger Tätigkeit, in der sie den gesamten, 40 Bände umfassenden Kampusch-Akt noch einmal durchging, legte sie einen 600 Seiten starken Vorhabensbericht vor, in dem die Verfahrenseinstellung gegen Pleischl & Co vorgeschlagen wurde.

Sowohl die OStA Innsbruck als auch das Justizministerium erteilten dafür "grünes Licht". "Es gibt keinen Hinweis, dass Ermittlungsschritte unterlassen wurden. Es gibt nichts mehr, was man noch machen könnte", bekräftigte Sektionschef Christian Pilnacek. Rzeszut sei von der Tiroler Justiz insgesamt 48 Stunden zeugenschaftlich vernommen worden: "Da konnte alles ausgebreitet und dargestellt werden, was an Vorwürfen da ist." Ungeachtet Rzeszuts Bedenken sei die Justiz überzeugt, dass der Kampusch-Entführer Wolfgang Priklopil keinen Komplizen oder Mitwisser hatte. "Es gibt keinen zweiten Täter", so Pilnacek.

Justizministerin lässt "Double-Check" durchführen

"Rzeszut ist ein hoch angesehener Jurist mit all seinen Qualitäten. Es besteht kein Zweifel, dass er davon überzeugt ist, was er sagt", ging Pilnacek auf die Vorwürfe des früheren OGH-Präsidenten ein. Dieser muss vorerst nicht befürchten, von der Justiz jetzt wegen Verleumdung der Kampusch-Staatsanwälte verfolgt zu werden, wie Pilnacek, Loderbauer und der Innsbrucker OStA-Chef Kurt Spitzer deutlich machten. Auf Rzeszuts zuletzt immer heftiger werdende Kritik angesprochen, bemerkte Pilnacek lediglich: "Ich weiß nicht, ob es klug ist, das weiter zu behaupten."

Dessen ungeachtet will Justizministerin Beatrix Karl "in dieser heiklen Angelegenheit jeden Zweifel an den Ermittlungen der Justiz ausräumen", wie sie im Anschluss an die Pressekonferenz in einer Aussendung erläuterte. Sie habe sich daher entschlossen, "einen Double-Check durchzuführen und die Staatsanwaltschaft angewiesen, den gesamten Akt dem Rechtsschutzbeauftragten der Justiz zur neuerlichen Prüfung zukommen zu lassen". Sie vertraue den Staatsanwaltschaften, "dennoch soll nicht der leiseste Verdacht von Ungereimtheiten bei den Ermittlungen übrig bleiben. Ich will hundertprozentige Sicherheit. Nicht zuletzt geht es auch darum, das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz zu stärken", hielt Karl fest.

Der von der FPÖ, den Grünen und dem BZÖ vorgebrachten Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungs-Ausschuss kann Karl aus Gründen des Opferschutzes nicht viel abgewinnen. Sollte sich das Parlament dennoch entschließen, diese Causa nochmals prüfen zu wollen, sollte nach Karls Ansicht damit der ständige Unterausschuss des Innenausschusses betraut werden: "Dieser ist geheim, wodurch auch der Opferschutz, also vor allem die Rechte von Frau Kampusch an der Wahrung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches, gewahrt werden." (APA)